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Archiv-Artikel

Premier Monti steht von zwei Seiten unter Druck

ITALIEN Während Zehntausende gegen die rigide Sparpolitik protestieren, erwägt Berlusconi, der Regierung das Vertrauen zu entziehen

Berlusconi will bei der Rechten die Fäden weiter in der Hand halten und setzt auf aggressiven Populismus

AUS ROM MICHAEL BRAUN

Italien hat am Samstag gleich einen doppelten „No Monti Day“ erlebt. In Rom gingen Zehntausende Anhänger der radikalen Linken auf die Straße, um gegen die Austeritätspolitik der Regierung unter Mario Monti zu protestieren. Praktisch zeitgleich erklärte der Anführer der italienischen Rechten, Silvio Berlusconi, auf einer Pressekonferenz, er erwäge, der Regierung das Vertrauen zu entziehen.

Schüler und Studenten, prekär beschäftigte Lehrer, Angehörige der linken Basisgewerkschaften aus dem öffentlichen Dienst und aus der Privatwirtschaft, dazu Anhänger verschiedener kommunistischer Organisationen trugen ihren friedlichen Protest gegen die Sparpolitik Montis auf die Straße. Im Vorfeld hatten das Innenministerium ebenso wie die Medien kräftig die Angst vor Krawallen des Schwarzen Blocks geschürt, doch dank eines straffen Ordnerdienstes der Basisgewerkschaften konnte das vorher verkündete Motto umgesetzt werden. „Mit unverhülltem Gesicht und offenen Händen“ wollten die Veranstalter demonstrieren. Erst am Ende trennten sich einige Tausend Studenten vom Hauptzug und blockierten für kurze Zeit die Stadtautobahn, doch auch hier blieben Zusammenstöße mit der Polizei aus.

Erstmals seit Übernahme der Regierung vor knapp einem Jahr war Ministerpräsident Monti mit einem Massenprotest konfrontiert. Doch fürchten muss der Premier vorerst nicht viel von der Linken: Die großen Gewerkschaftsbünde äußern zwar wachsende Unzufriedenheit mit der Tatsache, dass die Sparmaßnahmen die breite Masse der Arbeitnehmer und Rentner treffen, während große Vermögen geschont werden. Doch den Schritt zu einer Konfrontation mit der Regierung taten sie bisher nicht.

Echte Gefahr droht der Regierung eher von rechts. Berlusconi reagierte auf seine am Freitag erfolgte Verurteilung zu vier Jahren Haft wegen Steuerhinterziehung nur einen Tag später mit einem aggressiven Auftritt. Auf einer Pressekonferenz verkündete er, er werde zwar nicht erneut für das Amt des Regierungschefs kandidieren, wolle aber bei den nächsten Wahlen wieder für das Parlament antreten, um bei der Rechten die Fäden in der Hand zu behalten.

Zudem, so Berlusconi, werde seine Partei in den nächsten Tagen prüfen, ob sie Monti das Vertrauen entziehen werde. Die Technikerregierung habe dem Land eine schwere Rezession beschert, nun stehe ein Befreiungskampf gegen die Diktatur der Richter, gegen die Sparpolitik ebenso wie gegen Merkel-Deutschland an.

Sollte Berlusconis Popolo della Libertà (PdL – Volk der Freiheit) tatsächlich diesen Schritt tun, verlöre Monti die Mehrheit im Parlament; vorgezogene Neuwahlen wären unvermeidlich. Doch ehe eine Entscheidung fällt, wird die Rechte die Resultate der Regionalwahlen in Sizilien am 28. Oktober abwarten. Dort könnte die gemäßigte Linke erstmals den Posten des – direkt gewählten – Regionspräsidenten erobern.

Mit weit größerer Spannung allerdings schauen alle Parteien darauf, wie Beppe Grillos Movimento 5 Stelle abschneidet. Die Protestliste, die vom Verdruss der Bürger mit den traditionellen Parteien ebenso wie mit Montis Sparpolitik profitiert, wird in nationalen Umfragen mittlerweile bei bis zu 20 Prozent gehandelt. Wähler strömen ihr nicht mehr nur von der Linken und aus dem Reservoir der Nichtwähler, sondern auch aus dem Berlusconi-Lager zu. Auch um diese Abwanderungsbewegung zu stoppen, setzt Berlusconi erneut auf die Karte des aggressiven Populismus.

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