: Lieber Reinhold Messner,
Offener Brief an den Südtiroler Yeti-Versteher
Sie, alter Gipfelkraxler, müssen jetzt ganz tapfer sein: Den Yeti gibt es nicht! Jahrzehntelang haben Sie den Extrembergtourismus befördert und sich mit allerlei Geschichten aus der dünnen Luft im Gespräch gehalten – zum Beispiel über den sagenumwobenen „Schneemenschen“ des Himalajas, dem Sie angeblich persönlich begegnet sind, sodass Sie ihn sogar fast fotografiert hätten, wenn Sie nicht „mit Mund und Augen offen so gestaunt“ hätten. Im Jahr 1987 erklärten Sie zum Beispiel dem internationalen Fernsehpublikum: „Ich glaube nicht an den Yeti, ich weiß, dass es den Yeti gibt.“ Wahrscheinlich haben Sie sich deshalb haartechnisch so zuwachsen lassen, damit der Yeti nicht erschrickt, wenn er Sie Seelenverwandten zufällig irgendwo auf dem Dach der Welt trifft. Jedenfalls sprachen Sie vom Yeti stets als von einem „Tier, das die Zoologie noch nicht kennt“, und waren sich „hundertprozentig sicher, das Wesen gibt es!“ Sie, Reinhold Messner, müssen jetzt auf Ihre alten Tage bärenstark sein. Wie die Nachrichtenagentur dpa am Mittwoch berichtete, haben amerikanische Wissenschaftler von der University of Buffalo DNA-Proben von angeblichen Yeti-Überbleibseln unter die Lupe genommen und sie fast ausschließlich Bären zugeordnet. Acht der neun untersuchten Proben – gewonnen aus Knochen, Zähnen, Haaren oder Exkrementen – stammen demnach von Asiatischen Schwarzbären, Himalaja-Braunbären oder Tibetischen Braunbären, die neunte von einem Hund. Die Studie, veröffentlicht in den Proceedings B der britischen Royal Society, ist wohl die bisher gründlichste DNA-Analyse angeblicher Yeti-Relikte und offensichtlich der endgültige Beweis, dass Ihre Spintisierereien genau das sind, was sie sind: Jägerlatein und Bergsteigerblubberei. Das Schlimmste aber ist: Keine der untersuchten Proben stammt von Ihnen, obwohl Sie sich jahrelang aus Werbegründen im ewigen Eis jede Menge Zehen haben abfaulen lassen. Bitte aber gehen Sie jetzt nicht auf den bitterkalten Gletscher, um sich aus Scham über Ihre Entlarvung vollends zu entleiben. Sie bleiben doch immer noch unser geliebter sagenhafter Zausel, der vom Berg ruft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen