: Hauptsache, es steckt Frau drin
FILM UND FEMINISMUS Eine solide Datenbasis tut endlich not: Die Tagung „Blicke – Körper – Macht“ an der Akademie der Künste durchquerte das weite Feld von „Frauen, Kino und Medien“ mit Filmen und Vorträgen
VON SILVIA HALLENSLEBEN
Als „Testosteron-Armaggedon“ hatte der Spiegel das diesjährige Line-up beim Filmfestival von Cannes bezeichnet. Doch als erst das britische Jurymitglied Andrea Arnold und dann mit Bärten verkleidete französische Filmregisseurinnen als „La Barbe“ darauf aufmerksam machten, dass unter den 22 Wettbewerbsbeiträgen mal wieder keine einzige Regisseurin war, stimmten erstaunlich viele Größen der internationalen Filmkritik Festivaldirektor Thierry Frémaux’ Aussage zu, dass in der hehren Filmkunst als Auswahlkriterium eben nur Qualität zähle, nicht Quote.
Mag sein. Bei einer so radikalen offensichtlich geschlechtsbasierten Ausschlussquote müsste sich eine intelligente Jury aber notgedrungen der selbstreflexiven Frage nach den eigenen Kriterien stellen, schließlich sind – jedenfalls in Frankreich und Deutschland – mittlerweile die Hälfte aller FilmhochschulabsolventInnen weiblich. Nur zu den Gipfeln – und Pfründen – des cineastischen Ruhms schlagen sie sich selten durch.
Auch dies Anlass für die Sektion für Filmkunst und Medien der Berliner Akademie der Künste und ihrer Direktorin Jutta Brückner, mit einem Film-/Vortragsprogramm unter dem Titel „Blicke – Körper – Macht“ das weite Feld von „Frauen, Kino und Medien“ (so der Untertitel) fast 40 Jahre nach dem historischen ersten Internationalen Frauenfilmseminar 1973 einer Neubesichtigung zu unterziehen. Um Mechanismen der (Un-)Sichtbarkeit soll es gehen, die ökonomischen Bedingungen, unter denen Regisseurinnen arbeiten, doch auch theoretische Positionen zu gender- und medienwissenschaftlichen Diskursen sollen abgesteckt werden, praktische Widerstandspositionen ebenso.
Irgendwie alles eben: für nur zwei halbe Tage und vier prall mit feministischer Filmtheorie und -praxis gefüllte Jahrzehnte ein ambitioniertes Programm, das dann auch mit mehrstündigen Mammutsitzungen schon konstitutionell an die Grenzen des Verkraftbaren ging. Und inhaltlich? Marie-Luise Angerers (KHM Köln) Marsch durch die Geschichte feministischer und gendertheoretischer Positionen von Laura Mulvey über PorNo und Queer Theory bis zu Catherine Hakims bizarr neoliberalen Thesen vom erotischen Kapital war pointiert genug angelegt, um als Basis für eine Debatte zum aktuellen Stand der Forschung dienen zu können, verlor sich dann aber im Rauschen einer allzu breit angelegten Themensammlung, bei der auf dem folgenden Panel alles Mögliche einmal kurz angekratzt wurde, um dann ohne weitere Reflexion in den ewigen Jagdgründen wirkungslos verhallter Wortbeiträge zu verschwinden.
Sicherlich: Unterschiedliche Formate und Zugriffe bringen Leben in den öffentlichen Diskurs, Praxis und Theorie können (und sollten) sich bereichern. Doch dazu braucht es auch untereinander gut vertaktete Referenten und genug Raum, damit das Geäußerte sich auch diskursiv entfalten kann. Wenn ein 10-Punkte-Erfolgs-Plan in handlichster Karriere-Coach-Manier (Reisen Sie zu Festivals!) ohne Vermittlung neben einem Referat über „Rape Revenge“-Filme steht, konstituiert sich daraus kein anregendes Mosaik, sondern Ratlosigkeit und Verwirrung. Hauptsache, es steckt irgendwie Frau drin, schien es, wobei auch hier die Ansätze vom essenzialistischen Biofeminismus über das Powerfrauen-Ich bis zur Dekonstruktion munter durcheinanderpurzelten.
Am anregendsten wurde es so bei den scheinbar trockensten Ausführungen, sei es in einer von Barbara Schweizerhof referierten Studie mit qualifizierter (zentral/sprechend/bekleidet/ halbnackt etc.) Auszählung von Frauenrollen im US-Kino, die häufig vermutete Zusammenhänge zwischen Geschlecht der Filmemacher und entsprechenden Frauenbildern einmal mit Zahlen belegen.
Und die von Silke Räbiger (Frauenfilmfestival Dortmund/Köln) vorgetragene kurze Geschichte der Frauenfestivals erzählte ganz konkret (und deshalb so lehrreich) über die Dialektik von Anpassungszwängen, Anstrengungen und möglichem (Teil-)Erfolg. Schade, dass Connie Walther mit ihren Nachrichten aus dem Innenleben einer Förderjury nur einen kurzen Auftritt hatte, hier wäre sicher auch aus der Praxis mehr Lehrreiches zu erfahren gewesen.
Auffällig die fehlende empirische Wissensgrundlage zu vielen angesprochenen Bereichen, wo immer noch notgedrungen mit Vermutungen und Allgemeinplätzen argumentiert wird. So ließe sich als Ergebnis der Veranstaltung dazu aufrufen, endlich mit einer soliden Datenbasis Abhilfe zu schaffen. Dabei sei erinnert an ein informatives Hearing des Kultursenats im Juni 2002 zu Frauen in Filmberufen, dessen Ergebnis als Studie vorliegt. Eine Dekade später ist es höchste Zeit zu einer Fortsetzung etwa durch die Bestandsaufnahme der Karriereverläufe von Filmhochschulabsolventinnen heute.
Zum Schluss sei – Thema Zerstückelung von Frauenkörpern im Kino – noch der Hinweis erlaubt auf ein aufschlussreiches Interview in der Süddeutschen Zeitung vom letzten Wochenende mit Nikki van der Zyl, die als Sprecherin acht unterschiedlichen Bond-Girls ihre (englische!) Stimme geliehen hat. In „Dr. No“ hat sie sogar alle Frauenrollen – außer Miss Moneypenny und einer Chinesin – gesprochen. Aufgefallen ist das bisher niemand.