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Archiv-Artikel

8. Auf nach Berlin!

Bremer taz-Genossenschaftler greifen taz-Geschäftsführer an: Die geplante Abwicklung der taz bremen sei eine „krasse verlegerische Fehlentscheidung“ und „aktive Sterbehilfe“ für die taz. Die jedoch beharren: Lokalteile seien „eindeutig nicht tragfähig“. Genossenschaftler reisen gemeinsam nach Berlin

Bremen taz ■ Das Ende der taz bremen? Für taz-Geschäftsführer Karl-Heinz „Kalle“ Ruch sind es zwei Reihen Zahlen. Blau auf gelb stehen sie da, per Beamer an die Leinwand geworfen. Spalte 1: der Zuschussbedarf für taz bremen, taz hamburg und taz nord in diesem Jahr. Spalte 2, deutlich niedriger: die Prognose für 2006. Da soll es taz bremen und taz hamburg nicht mehr geben. Ruch bekräftigt: „Das ist gut, wenn das so rüberkommt.“

Die Luft im Saal ist schneidend. „Ich bin seit der Nullnummer bei der taz“, sagt eine Frau: „Aber sowas habe ich noch nicht erlebt.“ Knapp 100 taz-GenossInnen, KommanditistInnen und LeserInnen sind wie sie ins Gästehaus der Uni auf dem Teerhof gekommen, ihr Anliegen: den Bremer Lokalteil der taz zu retten. Eine „krasse verlegerische Fehlentscheidung“ sei das von den Berliner taz-Geschäftsführern verfolgte Modell der „Regionalisierung“ – keine Lokalteile mehr, sondern nur noch vier Norddeutschland-Seiten täglich –, wirft Radio-Bremen-Journalist Jochen Grabler den selbst ernannten Strategen von der Spree vor. Ein „journalistischer Mehrwert“ lasse sich nur mit einem Lokalteil erzielen. Reinen Norddeutschland-Seiten erteilte er eine klare Absage: „Lübeck ist für Bremer so weit weg wie München.“ Ob sich denn irgendwie belegen lasse, dass die vor zwei Jahren eingeführten taz nord-Seiten, die nun zu Lasten der Lokalteile ausgeweitet werden sollen, zu neuen Abos geführt hätten, will ein Zuhörer wissen. Ruch hält die Arme verschränkt. „Mit Sicherheit nicht“, erwidert er.

Als „unseriös“ geißelte taz bremen-Redakteur Klaus Wolschner die von Ruch vorgelegten Zahlen. Die Hälfte des angeblich drohenden Defizits von 231.000 Euro habe die taz-Geschäftsführung in Berlin selbst zu verantworten, rechne man die Hamburger Verluste heraus, reduziere sich das Bremer Problem auf ganze 30.000 Euro. Und, so Wolschner: „Das Problem lösen wir, wenn wir nicht mit Berliner Beschlüssen konfrontiert werden.“

Senatssprecher und Ex-taz-Redakteur Klaus Schloesser wirbt um einen Blick über die Zahlenkolonnen hinaus. „Wir haben immer gesagt: die taz ist ein journalistisches Projekt“, hält er Ruch vor. Ohne dieses Verständnis drohe der worst case: „ein Haufen Altpapier, aber betriebswirtschaftlich hergestellt“. „Ich bin nicht bereit, die ganze Sache auf ein betriebswirtschaftliches Modell zu reduzieren“, pflichtet ihm eine taz-Genossin bei. Scharfe Kritik erntet Ruch auch dafür, dass der Beschluss, die taz bremen zu schließen, ohne jede Absprache mit MitarbeiterInnen, GenossInnen oder AbonnentInnen gefasst wurde. Eine „andere Unternehmenskultur“ sei ein „roter Faden durch die Geschichte der taz“, mahnte die Chefin der taz-Genossenschaft, Konny Gellenbeck. „Die große Solidarität mit der taz ist unser Fundament“.

Der taz-Geschäftsführer, erinnert sich schließlich ein Genosse, sei schon bei der Gründung der taz bremen gegen diese gewesen – und das werde sich auch an diesem Abend nicht ändern. Helfen könne allenfalls ein Votum der taz-Genossenschaft für den Erhalt der Lokalteile auf der Generalversammlung kommenden Samstag in Berlin. Davon, räumte Ruch ein, „würden sich Geschäftsführung und Aufsichtsrat mit Sicherheit beeinflussen lassen“. Armin Simon

Gemeinsame Fahrt zur taz-Genossenschaftsversammlung in Berlin am Samstag (17.9.). Abfahrt in Bremen um 9.15 Uhr mit dem ICE über Hamburg (!), Treffpunkt: 9 Uhr an Gleis 9. Wer noch GenossIn werden möchte: Schnell anrufen unter ☎ 0421 / 960 26-15.