: „Eine historische Chance für die Linke“
„Die Souveränen“ (Teil 3): Detlef Militz (57) ist Erfinder und Unternehmer. Seine Firma in Neuenhagen entwickelt innovative Textilien. Er wählt die Linkspartei – denn die beiden großen Parteien hätten keine Antworten auf die drängenden sozialen und wirtschaftlichen Probleme
Samt Patentanwalt und den zwei Mitarbeiterinnen sitzt Detlef Militz beim Italiener in Charlottenburg. Für ein Interview eine ungewöhnliche Versammlung. Die vier stoßen mit Sekt an. Was gibt’s zu feiern? „Dass es weitergeht!“
So was ist immer ein guter Anlass. Bei Militz, dem die Firma Silvertex gehört, die innovative Textilien entwickelt, heißt das: Endlich hat er genug Geld zusammen, um seine neue Idee aus der Sphäre der Vision in jene der Wirklichkeit hinüberzuführen. Detlef Militz will die Zivilisationsgesellschaft von Legionellen befreien.
Der Unternehmer ist einer, der in Möglichkeiten denkt. Hat der 57-Jährige, dessen Firma in Neuenhagen im Berliner Speckgürtel angesiedelt ist, einmal eine Möglichkeit entdeckt, lässt er nicht locker. So war es schon zu DDR-Zeiten wie auch nach der Wende. Und so war es vor einem Jahr. Er las einen Bericht über Legionellen, da fiel sein Blick auf ein textiles Material, das sich Abstandsgewirke nennt. Plötzlich hatte er eine Idee. „So könnte es gehen.“ Heraus kam die Vision eines fädigen Gewebes aus silberbeschichtetem Material, durch das das Wasser in den Leitungen fließen muss und das dabei die Legionellen unschädlich macht.
Innerhalb von einem Jahr ist es ihm gelungen, die Finanzierung aufzutreiben und die sechs Partner, die er für die Erforschung, Entwicklung und Herstellung des Produkts braucht, zu begeistern: Die Gewirkehersteller, die Versilberer, die Hersteller des Endprodukts und jene, die das dafür nötige technische Equipment produzieren, sowie die Prüflabore und die Wissenschaft, die die Richtigkeit der Militz’schen Vision erst mal nachweisen muss. Forschungsgelder in Höhe von 3,5 Millionen Euro hat er aufgetrieben. An der Universität Dresden werden damit vier Stellen auf drei Jahre finanziert. Militz ist der Zampano dieses Unternehmens, der geistige Kopf, der Magier und Manager. Ist er am Ende erfolgreich, darf er das Ding in Lizenz produzieren lassen und daran verdienen.
Dass Silber Bakterien unschädlich macht, das ist Militz aus seinen früheren Unternehmungen bekannt. Zuletzt hat er silberbeschichtete Kleidung in Lizenz produzieren lassen. Neurodermitis wird durch solche Unterwäsche erträglicher, und Socken aus silberbeschichtetem Material mindern den Fußgeruch.
Beim Italiener entscheidet er sich für Kalbfleisch. Seine Sekretärin isst Scampi. „Ich bin ein perfider Ausbeuter. Ich sorge dafür, dass es meinen Mitarbeiterinnen gut geht, damit sie 150-prozentige Leistung bringen“, donnert er über den Tisch. Der Mann liebt Gegensätze. Er tat wie ein Kapitalist, als er eigentlich hätte Sozialist sein müssen. Er war Optimist, als Pessimismus angesagt war. Er investierte nach der Wende in Ostdeutschland in die Textilindustrie, als alle sie abschrieben.
Allerdings, das muss man wissen, Militz ist Branchenkenner. Er machte seine Erfahrungen in der DDR im Textilbereich. Der Osten war damals ein Billiglohnland, in dem alle großen Westfirmen ihre Kleidung produzieren ließen. Militz, seines Zeichens DDR-Ministerialbeamte, arbeitete zeitweise an dieser sozialistisch-kapitalistischen Schnittstelle, die letztendlich Devisen beschaffen sollte, weil die DDR-Währung international nichts galt. Nach der Wende brach die Textilindustrie in Ostdeutschland zusammen.
Für Militz war das genau der richtige Moment, um Unternehmer zu werden. Er suchte sich eine Marktlücke und begann als Selbstständiger, Kleidung zu produzieren, die auf die Bedürfnisse Behinderter zugeschnitten war. Anfang des neuen Jahrhunderts wurde bei ihm angefragt, ob er auch etwas für Menschen mit Herzschrittmachern entwickeln könnte, um sie vor Elektrosmog zu schützen. Dabei stieß Militz auf Silber und seine antistatischen Eigenschaften. In Kooperation mit Spinnereien und Webereien wurde ein haarfeines Silbergarn entwickelt. Ein besonderer Nebeneffekt: Weil das Material sehr teuer ist, fallen die Produktionskosten weniger ins Gewicht und es lohnt sich wieder, hierzulande zu produzieren. „Das Know-how ist ja immer noch da, und mit teurem Material produziert man Qualität und keinen Ausschuss.“
Bankkredite: Fehlanzeige
Jetzt also will Militz mit Silberfasern die Wasserqualität verbessern. Überall habe er offene Türen eingerannt, bei den Hochschulen, beim Bundesministerium für Bildung und Forschung, bei den beteiligten Unternehmen. „Man gibt dem Produkt eine große Chance“, bestätigt Jan Reiniger, der Patentanwalt. Militz’ Problem: Er muss finanzielle Vorleistungen bringen. Das Wirtschaftsministerium in Brandenburg stellte sich quer. Auch Bankkredite waren nicht zu haben. Jetzt hat er sich das Geld eben zusammengeliehen.
Seine Visionen und die der Politiker hätten, meint er, eben schon zu DDR-Zeiten nicht zusammengepasst. Weshalb sollte es nun anders sein? Nicht ganz dazugehören, aber darüber stehen, so was gefällt ihm. Deshalb macht der bekennende „linke Optimist“ keinen Hehl daraus, dass er die neue Linkspartei wählen will, selbst wenn ihm die Brandenburger Regierung dann erst recht kein Zuschüsse mehr gibt. „Ich mach’s trotzdem.“ Warum? „Weil die Linke die historische Chance hat, endlich im wiedervereinigten Deutschland anzukommen.“ Ob er die Linke meine oder die Linkspartei alias PDS? Das habe mit der PDS nichts zu tun, antwortet er. „Es ist die Chance, linke Sozialpolitik zu verwirklichen.“ Auch auf die Frage, wie das geschehen soll, hat er eine unorthodoxe Antwort. Er wünscht sich eine große Koalition, weil sich damit am Ende beide großen Parteien diskreditierten. „Sie haben beide keine Antworten auf die drängenden sozialen und wirtschaftlichen Probleme.“
Das Vakuum, das durch eine große Koalition entstehe, könne von der Linken besetzt werden. „Die Felder sind offen.“ Und um es noch einmal auf den Punkt zu bringen, schmettert er sein Credo über den Tisch. „Mir ist eine Verteilung von oben nach unten immer noch lieber als eine von unten nach oben.“
Das Dessert – Zabaglione mit Eis – überlässt er seinen Mitarbeiterinnen. Er selbst gönnt sich als Nachtisch einen doppelten Espresso. Und dann gleich noch einen zweiten.
WALTRAUD SCHWAB