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Ein Kirchhof kostet drei Unis

Finanzsenator Sarrazin (SPD) sieht milliardenschwere Steuerausfälle auf Berlin zukommen, falls die CDU die Pläne ihres Finanz-Experten Paul Kirchhof umsetzt. Die Union hält das für falsch und unsinnig

VON MATTHIAS LOHRE

Wenige Tage vor der Bundestagswahl versuchen mehrere SPD-LandespolitikerInnen, das Ruder zugunsten ihrer Partei herumzureißen. Ihr Mittel: die Furcht vor einer CDU-Steuerreform nach den Vorstellungen ihres Finanzexperten im Schattenkabinett, Paul Kirchhof. In einer gemeinsamem Erklärung mit seinen Ressort-KollegInnen aus Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, Sigrid Keler und Rainer Speer, sieht Finanzsenator Thilo Sarrazin (alle SPD) eine „nachhaltige Erosion der finanziellen Grundlagen des Aufbaus Ost“ voraus. Allein auf das Land Berlin kämen jährliche Steuerausfälle in Höhe von rund 1,2 Milliarden Euro zu, falls Kirchhofs Radikalreform Wirklichkeit würde.

Das entspräche „nahezu den gesamten Ausgaben des Landes Berlin für Wissenschaft und Forschung“, rechnen die Finanz-ExpertInnen vor. Für ganz Deutschland gehen sie sogar von Steuerausfällen „von anfänglich bis zu 43 Milliarden Euro“ aus. Kirchhof werfen die SPD-Minister vor, seine geplante Abschaffung von Steuervergünstigungen und Abzugsbeträgen reiche nicht aus, um die Senkung des Spitzensteuersatzes auf 25 Prozent auszugleichen.

Deshalb müsse die CDU auch an die im Solidarpakt II eingeplanten Mittel für die ostdeutschen Bundesländer inklusive Berlin heran. Die SPD-PolitikerInnen befürchten außerdem die Abschaffung von Solidaritätszuschlag und Investitionszulage und die Kürzung der Entfernungspauschale.

CDU-Vertreter beeilten sich, den Worten von Sarrazin & Co. heftig zu widersprechen. „Falsch und unsinnig“ seien die Behauptungen, Kirchhofs „Vorschläge“ gefährdeten den Aufbau Ost, erklärten die CDU-Generalsekretäre Frank Henkel (Berlin), Lorenz Caffier (Mecklenburg-Vorpommern) und Sven Petke (Brandenburg). „Die Gelder sind im Solidarpakt II festgeschrieben. Daran rüttelt niemand.“

Doch die herbe Kritik an den radikalen Steuerplänen Kirchhofs hat nicht nur die Bundes-CDU dazu gebracht, auf Distanz zum einstigen Wahlkampf-Joker zu gehen. Auch in ihrer gemeinsamen Erklärung verteidigen die drei Generalsekretäre nicht mehr Kirchhofs Modell. Stattdessen beziehen sie sich ausschließlich auf die „von uns vorgesehene Steuerreform ab 1. 1. 2007“. Die steht im Wahlprogramm der Union und bleibt bekanntlich hinter den Forderungen des ehemaligen Bundesverfassungsrichters zurück.

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