: Neid auf die Dresdner Wähler
Mehr als zehn Verfassungsklagen gegen Auszählung der Wahl. Erfolgsaussichten gering
FREIBURG taz ■ „Auf dieser Wahl liegt kein Segen“, sagte vorige Woche der Hannoveraner Staatsrechtler Hans-Peter Schneider. Ständig muss sich das Bundesverfassungsgericht mit der kommenden Bundestagswahl beschäftigen – zunächst wegen der vorzeitigen Auflösung des Bundestags, jetzt wegen der verspäteten Wahl im Wahlkreis Dresden I. „Bis Ende der Woche“ will Karlsruhe über die neuen Verfassungsbeschwerden entscheiden.
Inzwischen sind schon mehr als zehn Bürgerklagen in Karlsruhe eingegangen. „Es werden täglich mehr“, sagt eine Sprecherin des Gerichts. Die Kläger kommen aus ganz Deutschland und kritisieren, dass ihre Stimme bei der Bundestagswahl am 18. September weniger wert sei als die der Wähler im Wahlkreis Dresden I. Dort wird erst am 2. Oktober gewählt, weil die rechtsextreme NPD nach dem Tod ihrer Direktkandidatin einen neuen Kandidaten aufstellen musste.
Der Vorteil der Dresdner: Sie können nun gezielter wählen, weil sie das Wahlergebnis im Rest Deutschlands schon kennen. Bei einem sehr knappen Ausgang der Wahl könnten die 219.000 Wahlberechtigten im Wahlkreis Dresden I sogar allein die Wahl entscheiden. Dies verletze die im Grundgesetz garantierte Gleichheit der Wahl, rügen die Kläger. Ihr Ziel ist deshalb überwiegend, dass die Wahlergebnisse am 18. September nicht ausgezählt oder zumindest nicht bekannt gegeben werden.
Das geltende Wahlrecht sieht jedoch eine sofortige Auszählung und Veröffentlichung der Wahlergebnisse vor. Die von den Klägern erhoffte Korrektur des Wahlrechts wir voraussichtlich keinen Erfolg haben. Um eine reibungslose Wahl zu gewährleisten, sind Klagen zum Wahlverfahren erst nach Abschluss der Wahl möglich, so die ständige Rechtsprechung des Gerichts.CHRISTIAN RATH