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Archiv-Artikel

Treueschwüre zählen nicht

Trotz aller Dementis: Ampel, große Koalition und Rot-Rot-Grün bleiben weiter im Gespräch

BERLIN taz ■ Für Kurt Beck ist es eine Frage des Respekts vor dem Wähler. Man könne doch nicht einfach sagen: „Lieber Wähler, wenn du eine bestimmte Koalition wählst, dann spielen wir nicht mit“, erklärte der rheinland-pfälzische Ministerpräsident gestern im Südwestrundfunk. Heißt: Eine rot-grün-gelbe Zusammenarbeit im Bund ist für den Anführer der einzigen sozialliberalen Koalition auf Landesebene ebenso wenig auszuschließen wie eine große Koalition.

Beck ignoriert souverän, dass FDP-Chef Guido Westerwelle am Sonntag eine Zusammenarbeit mit der SPD ebenso fernseh-öffentlich ausgeschlossen hat wie CDU-Kanzlerkandidatin Angela Merkel. Egal, glaubt Taktiker Beck – am Wahlabend zählen Treueschwüre zwischen Parteien ohnehin nicht mehr. „Wenn alle Wahllokale geschlossen sind, haben alle die Pflicht, eine verantwortliche Regierung zu machen im Lichte des Ergebnisses.“

Da die Umfragen derzeit keine Mehrheit für eine Koalition von CDU und FDP prognostizieren, erscheint derzeit kein Koalitionsszenario zu abwegig. Linkspartei-Wahlkampfchef Bodo Ramelow etwa signalisierte gegenüber Spiegel Online seine Bereitschaft, eine Fortsetzung von Rot-Grün zu tolerieren. Schließlich müssten „alle demokratischen Parteien miteinander kooperieren können“, so Ramelow. Auf Nachfrage jedoch schloss Ramelow eine Tolerierung von Rot-Grün zumindest bis zur Wahl 2009 prompt wieder aus. „Es gibt keine Schnittmenge zwischen unseren Positionen und der Agenda 2010 oder dem Einsatz von Soldaten am Hindukusch“, sagte Ramelow der taz. Spiegel Online habe ihn verkürzt wiedergegeben. Eine Zusammenarbeit mit SPD und Grünen sei nur nach einem Politikwechsel denkbar. „Es reicht nicht, wenn man Schröder austauscht“, so Ramelow. Auch WASG-Chef Ernst sagte der taz, dass er derzeit „keinerlei Anknüpfungspunkte“ an Rot-Grün sehe.

Ein rot-rot-grünes Bündnis mag sowohl für die Linkspartei-Spitze als auch für SPD und Grüne ein Tabu sein – die Wahlkämpfer von Union und FDP ventilieren das Thema fleißig weiter. „Wir sehen jetzt ein Drittel der Katze, die aus dem Sack will“, reagierte FDP-Generalsekretär Dirk Niebel auf Ramelows Äußerungen. CDU-Pendant Volker Kauder assistierte, SPD und Grüne seien entgegen allen Behauptungen „immer bereit für ein Linksbündnis“. KLAUS JANSEN