: Als Katastrophenhelfer auf Stimmenfang
NOTHILFE Mit staatsmännischem Gestus versucht Obama sich vom schnöden Wahlkampf abzusetzen
WASHINGTON taz | „Sandy“ ist durch, und die Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen nächste Woche pausieren – ein bisschen. In der pausenlosen Sturmberichterstattung kommen weder Obama noch Romney vor.
Obama hatte sich am Montagnachmittag aus dem Weißen Haus gemeldet und von seiner Telefonkonferenz mit Gouverneuren und Bürgermeistern aus den mutmaßlich betroffenen Regionen berichtet. „Die Wahl wird nächste Woche von allein ihren Weg gehen“, sagt er dabei. „Jetzt ist unsere Priorität Nr. 1 sicherzustellen, dass wir Leben retten, dass unsere Suchtrupps bereitstehen, dass Menschen in Not Essen, Wasser und sichere Unterkünfte bekommen.“ Das ist das Letzte, was von ihm zu hören ist. Romney kommt in den Abendnachrichten nicht vor.
Beide Seiten haben für Dienstag alle Wahlkampfveranstaltungen der Kandidaten abgesagt. Romney hat einen geplanten Auftritt umgewidmet zur Nothilfesammlung, Obama bittet seine Sponsoren um Spenden – nicht für sich, sondern für das Rote Kreuz. Aber natürlich läuft in den Wahlkampfzentralen eine Woche vor der Wahl die hektische Tätigkeit auf Hochtouren.
Zwar bleibt der Präsident im Weißen Haus und gibt den Nothilfekoordinator, doch seine Vize Joe Biden, First Lady Michelle Obama und Expräsident Bill Clinton sind im Land unterwegs und machen weiter Wahlkampf.
Die liberalen Medien erinnern daran, dass Romney noch im Juni 2011 bei einer der ersten Vorwahldebatten der Republikaner die über die Katastrophenschutzbehörde Fema organisierte Hilfe der Bundesregierung am besten ganz abschaffen und an die Staaten „oder noch besser an den Privatsektor“ delegieren wollte.
Davon will Romney heute natürlich nichts mehr wissen, und die Kommentatoren heben hervor, wie gut es ist, dass die Fema heute über genug Geld verfügt. „Große Katastrophen brauchen eine starke Regierung“, schreibt die New York Times, die ein paar Tage zuvor zur Wiederwahl Obamas aufgerufen hat.
Aber erst in den kommenden Tagen wird sich zeigen, ob Obama als Katastrophenmanager punkten kann. Zunächst sind es die Bürgermeister und Gouverneure der betroffenen Staaten, allen voran New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg, die sich hemdsärmelig an die Seite der Menschen stellen – und erst, wenn sie nicht weiterkommen, springt die Hilfe der Bundesregierung ein. Doch dafür ist es noch zu früh. BERND PICKERT