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Sylvia Prahl
Mit Schlussfolgerungen, die im ersten Moment absurd wirken, in Wahrheit aber von großer Weisheit und philosophischer Kraft sind, werden Eltern gewitzter Kinder fast täglich torpediert. Haare raufen und zugleich anerkennend Nicken inklusive. Da ist es unterhaltsam und für alle lehrreich, wenn sich beide „Parteien“ vom Profi augenzwinkernd den Spiegel vorhalten lassen. Nasreddin Hodscha war so ein Profi: der berühmteste weise Narr und Geschichtenerzähler der islamischen Welt. Gelebt haben soll er im 14. Jahrhundert in Anatolien, manche verorten ihn auch in Persien. Seine Geschichten wurden aber schon früh weltweit verbreitet, im deutschsprachigen Raum jubelte man sie gern Till Eulenspiegel unter. Paul Maar, Autor von „Das Sams“ und „Lippels Traum“, ist den hintergründigen Weisheiten auf Reisen durch die Türkei begegnet. Er sammelte sie, kam später auf die Idee, sie übersetzen zu lassen und neu zu erzählen. „Das fliegende Kamel“ hält augenöffnende Schelmenstücke bereit, in denen veranschaulicht wird, warum frühes Aufstehen Unglück bringt oder warum es gut ist, dass Melonen nicht auf Bäumen wachsen. Und wenn Nasreddin wettet, denkt er immer einmal mehr um eine Ecke. Denn als er mit dem Sultan wettet, dass der am nächsten Tag ein Muttermal in Form eines Halbmonds auf dem erlauchtesten Hintern haben wird, weiß er, dass er verliert. Aber die ungleich höhere Wette mit dem Diener, der mit eigenen Augen sehen wird, wie der Sultan vor Nasreddin die Hosen runter lässt, die gewinnt er auf sicher! Maar hat sich erlaubt, einige moderne Geschichten im Geiste des alten Meisters dazu zu dichten, und die Pointen seiner modernen Narreteien stehen denen Nasreddins (fast) in nichts nach. Die jüngst veröffentlichte Doppel-CD wurde auf Deutsch und in moderner türkischer Übersetzung eingespielt. Auf der deutschen Version tragen Maar und der türkische Perkussionist Murat Coskun charmant holzig die von anarchischem Humor strotzenden Stücke vor. Manchmal wurde sich getraut, die schlichten Lesungen mit ein paar Geräuschen zu unterlegen. Mehr wäre hier ausnahmsweise auch mehr gewesen. Absolut stimmungsvoll ist die großartige orientalische Musik des 12. bis 15. Jahrhunderts, die präzis produziert und prägnant auf Originalinstrumenten gespielt sogar eingefleischte Mittelalterskeptiker vereinnahmt (www.oetinger.de, 19,95 €).
■ Mehr Kinder:
Dino im Kühlschrank, SEITE 11