BERNWARD JANZING ÜBER KOHLEBOOM UND ATOMAUSSTIEG : Die Lobby will uns verkohlen
Man kann sich die Meldungen schon ausmalen, wenn demnächst das Jahr 2012 abgerechnet wird: Der Atomausstieg habe zur verstärkten Erzeugung von Kohlestrom geführt, werden interessierte Kreise verbreiten.
Ehe die Atomlobby beginnt, Atomausstieg und Klimaschutz gegeneinander auszuspielen, sei klargestellt: Deutschland benötigt im Jahr 2012 nicht mehr Kohlestrom als im Vorjahr. Zwar werden die Atomkraftwerke dieses Jahr rund 10 Milliarden Kilowattstunden weniger liefern als 2011, zugleich aber werden die Erneuerbaren nach Branchenprognosen rund 17 Milliarden mehr erzeugen. Das ergibt einen Überschuss von 7 Milliarden Kilowattstunden – eine Minderproduktion bei den fossilen Energien wäre also möglich.
Aber die gibt es nicht, man produziert in Deutschland derzeit lieber kräftig Kohlestrom für das Ausland, statt die Anlagen zu drosseln. Warum? Unter Energieexperten kursieren bereits Spekulationen, dahinter könnte eine Strategie stecken. Möglicherweise wollten die Kraftwerksbetreiber in diesem Jahr durch eine absichtliche Überproduktion von Kohlestrom beweisen, dass der Atomausstieg das Klima schädigt.
Um solche skandalösen Planspiele zu vereiteln, muss man die Fakten klar herausarbeiten: Die fossilen Energien hatten in den ersten drei Quartalen 2012 am deutschen Stromerzeugungsmix einen Anteil von 57 Prozent, im gleichen Zeitraum des Vorjahres sind es sogar noch 59 Prozent gewesen. Die Fossilen insgesamt sind also mitnichten im Kommen. Aber es findet eine fatale Verschiebung vom Gas zur Kohle statt. Das ist bitter und muss politisch endlich diskutiert werden – nur das Thema Atomausstieg hat mit diesem Kohleboom nichts zu tun.
Wirtschaft + Umwelt SEITE 8