: NPD punktet bei der Schülerwahl
Die erste bundesweite „U18“-Wahl bestätigt vor allem in Sachsen böse Befürchtungen: 16 Prozent der Teenies wählten hier die NPD – in einigen Orten waren es noch viel mehr
BERLIN taz ■ Wirklich überrascht waren die Organisatoren im Oschatzer Jugendzentrum „E-Werk“ nicht, als das Ergebnis vor ihnen lag: 20,2 Prozent der Schüler hatten bei der „U18“-Wahl für die NPD gestimmt – die Rechtsextremen landeten damit nur knapp hinter SPD (22,8 Prozent) und CDU (21,7 Prozent). „Wir wussten, dass die latente Fremdenfeindlichkeit unter den Jüngeren groß ist“, sagt Janek Stieger, Projektleiter im Jugendclub. Genau deshalb wollte er, dass Schüler von Mittelschule und Gymnasium an der ersten bundesweiten Unter-18-Wahl teilnehmen. Stieger ist froh, endlich Zahlen auf dem Tisch zu haben: „Jetzt kann niemand mehr sagen, hier gebe es kein Problem mit rechts.“
Oschatz gehört nicht zu den berüchtigten rechtsextremen Hochburgen Sachsens. Von einer organisierten rechtsextremen Szene und Neonazi-Umtrieben blieb das 16.000-Einwohner-Städtchen bisher verschont. Bei der Podiumsdiskussion vor der Wahl blieb der Stuhl des NPD-Vertreters sogar leer, trotz ausdrücklicher Einladung.
Geschadet hat es offensichtlich nicht besonders: „Rechts“ ist auch so en vogue beim Nachwuchs. Und das gilt längst nicht nur für Oschatz. Nach dem gestern veröffentlichten Ergebnis der Übungswahl, an der kurz vor der Bundestagswahl deutschlandweit gut 48.000 Schüler teilnahmen, erzielte die NPD auch andernorts in Sachsen Rekorde. Resultate einzelner Wahlbüros – zum Beispiel in der Sächsischen Schweiz – halten die Organisatoren aus Rücksicht auf die Teilnehmer zurück. Viel Fantasie braucht man nicht, um sich auszumalen, warum. Klar ist: Sachsenweit wählten 16,30 Prozent der Schüler die NPD, mehr als in allen anderen Bundesländern. Die Rechtsextremen landeten auf Platz drei hinter SPD und Linkspartei. Auch bundesweit wäre die NPD zwar in das „U18“-Parlament eingezogen, allerdings „nur“ mit 6,66 Prozent der Zweitstimmen.
Repräsentativ sind diese Ergebnisse nicht, Schulen und Jugendclubs nahmen freiwillig teil, in einigen Landstrichen war die Resonanz gleich null. Allerdings bestreitet niemand, dass die Resultate für die teilnehmenden Schulen oder Jugendclubs aufschlussreich sind: Die Pädagogen wissen nun, wie viele ihrer Schützlinge ein Kreuzchen bei der NPD machten.
Was aber verraten die Zahlen darüber hinaus über Teenies und ihre politischen Ansichten? Wie viele kreuzten die NPD an, weil man die Lehrer damit ordentlich schocken kann? Wie viele haben im zarten Alter von 14 Jahren in ihren Köpfen, was Fachleute ein „geschlossenes rechtsextremes Weltbild“ nennen? Wie viele hat die NPD bereits als Erstwähler sicher?
Für Rechtsextremismus-Fachleute wie David Begrich vom Verein „Miteinander“ in Halle bestätigt die Wahl, was bereits andere Befragungen ergaben: Gerade Schüler, die handwerkliche Berufe erlernen, sind empfänglich für rechtsextreme Thesen. Viele seien fremdenfeindlich eingestellt – andere Kennzeichen rechtsextremer Gesinnungen fehlten aber. Deshalb könne man nicht unbedingt schon von geschlossenen Weltbildern sprechen.
Dass die NPD just in Sachsen die meisten Prozente verbuchte, verwundert Fachleute nicht: Seit dem Einzug in den Dresdner Landtag betrachte ein Großteil der Jugendlichen die NPD als ganz normale Partei, sagt Friedemann Bringt vom Kulturbüro Sachsen, das mehrere mobile Beratungsteams gegen Rechtsextremismus unterhält. „Für viele Achtklässler ist es Konsens: Die NPD gehört wie andere zum demokratischen Spektrum.“
Einigen Lehrern stehen in den nächsten Wochen unangenehme Lektionen bevor – sie wissen, wie stark der Block der NPD-Sympathisanten in ihrer Klassen ist, und müssen nun die Schülerwahl nachbereiten. Eine schwierige Aufgabe. Denn, da sind sich Rechtsextremismus-Experten einig: Gegen eine rechtsextreme Jugendkultur, die den Reiz des Verbotenen trägt, kann moralische Empörung aus Erwachsenenmund so wenig ausrichten wie die klassischen Methoden politischer Bildung.
ASTRID GEISLER