: „Jeden Tag ein neuer Skandal“
ÜBERWACHUNG Niedersachsens oberster Datenschützer stellt seinen Tätigkeitsbericht vor
Joachim Wahlbrink, Datenschützer
Wer die 300 Meter von Hannovers Hauptbahnhof bis zum beliebten Café Kröpke zurücklegt, wird von 500 Videolinsen ins Visier genommen. Eine hat die Polizeidirektion Hannover installiert. Sie arbeitet mit 64-facher Vergrößerung. „Mit dem Ding kann man bis in die Arztpraxis gegenüber gucken“, sagte Joachim Wahlbrink.
Niedersachsens oberster Datenschützer konnte mit erschreckenden Details aus der Welt von Überwachungswahn und Datenmissbrauch aufwarten, als er am Freitag seinen Tätigkeitsbericht vorstellte. Dazu gehören illegal montierte Kameras in Behörden, Ministerien oder bei Lidl, die Datenpannen bei SchülerVZ, der Postbank, Libri oder der Bundesanstalt für Arbeit, ebenso wie Google Streetview oder der verlorenen USB-Stick eines Finanzbeamten voll intimer Details unbescholtener Steuerbürger, der nur durch einen Zufall auf Wahlbrinks Schreibtisch landete.
Bei seinem ersten Bericht 2006 sei der Datenschutz noch ein „Lethargiethema“ gewesen, dem Wahlbrinks Dienstherren wenig Aufmerksamkeit geschenkt hätten. Das sei heute anders. „Denn nun haben wir fast jeden Tag einen neuen Skandal.“ Infolgedessen habe sich der länderübergreifende Datenschutz verbessert. Es gebe einen verbindlichen Bußgeldkatalog für erwischte Datensünder, der vor den Gerichten Bestand hat und mehr Personal. Aber das wäre nicht genug. Vor allem im IT-Bereich fehlen seiner Abteilung Leute. „Ohne technisch versierte Experten sehen wir bei Firmenkontrollen eher alt aus“, sagte Wahlbrink. Die bisherigen Überprüfungen seien „ernüchternd“.
Große Sorge bereitet dem Datenschutz das Handy, vor allem das sogenannte „Tracking“, sprich die über Handy mögliche Spurverfolgung. Infolgedessen, so Wahlbrink, schießen „Dienstleister“ aus dem Boden, die aus der heimlichen Ortung ein Geschäft machen. „Das Handy mutiert faktisch zu einem Bewegungsmelder, der die Position auf einer Internetplattform zur Verfügung stellt.“ Vermehrt hätten besorgte Bürgerinnen und Bürger zu diesem Thema beim Landesdatenschutzbeauftragten Rat gesucht. MQ