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Archiv-Artikel

Paderborn: Stadt des Reichstags und der CDU

taz geht wählen - Die Serie zur Bundestagswahl am 18. September. Die 64 nordrhein-westfälischen Direktwahlkreise im Portrait. Wer kämpft um die Mandate? Wer ist Außenseiter? Wer gewinnt? Heute: Paderborn

Paderborn? Noch vor der Einführung der Demokratie hatte die Stadt ihren Reichstag. Im Jahre 777 hatte der Reichstag Karls des Großen seinen Sitz in der Stadt, in der mit der Pader der kürzeste Fluss Deutschlands (4 km) seinen Ursprung findet. Paderborn hat rund 140.000 Einwohner, die sich über das Stadtgebiet südwestlich des Teutoburger Waldes verteilen. Wer in Paderborn arbeitet, wird größtenteils vom Mittelstand beschäftigt, größere Firmen in Paderborn sind der Marmeladen- und Saftmogul Stute, das Metallunternehmen Benteler und der Geldautomatenausstatter Wincor-Nixdorf

Wer verteidigt den Wahlkreis?

Gerhard Wächter (59) von der CDU. Wächter ist Vollblutpolitiker der Konservativen, saß schon von 1990 bis 2002 im Landtag Nordrhein-Westfalens und gilt als Verkehrsexperte. Eigentlich dürfte Wächter kaum Zeit haben, Wahlkampf zu machen, denn er ist in unvorstellbar vielen parlamentarischen Gruppen organisiert. Dazu zählen die CDU Landesgruppe NRW, der Parlamentskreis Mittelstand, die Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft, die „94-er“ Gruppe, die Parlamentsgruppe Luft- und Raumfahrt, die Parlamentsgruppe Schienenverkehr, die Deutsch-Baltische Parlamentariergruppe, die Deutsch-Brasilianische Parlamentariergruppe, die Deutsch-Südamerikanische Parlamentariergruppe, die Parlamentariergruppe USA und die Australisch-Neuseeländische Parlamentariergruppe.

Wer will den Wahlkreis?

Ute Berg (52), Sozialdemokratin und seit der Bundestagswahl 2002 im Reichstag. Sie könnte für die Paderborner in noch so vielen Parlamentsgruppen Mitglied sein – bis in Paderborn eine Sozialdemokratin einen Wahlkreis direkt gewinnt, muss soviel Zeit vergehen, wie von Karl dem Großen bis heute. Das wissen auch die Sozis, deshalb haben sie Ute Berg auf Platz 17 ihrer Landesliste abgesichert.

Die großen Außenseiter?

Reinhard Borgmeier (46) für Die Linke. Der Sprecher des Paderborner Flüchtlingsrates sitzt schon für die „Demokratische Initiative Paderborn“ im Stadtrat und engagiert sich außerdem gegen überhöhte Gaspreise des Konzerns Eon in einer Bürgerinitiative. Außer Borgmeier stellen sich Eva Maria Gockel für die Familienpartei, Heinrich Heineke für die FDP, Klaus Schröder für die Grünen und Tobias Heinekamp für die NPD zur Wahl.

Die taz-Prognose?

Multimitglied Wächter wird auch im neuen Bundestag sitzen und sich fleißig neue Parlamentariergruppen ausdenken, denen er jeweils zuerst beitritt. Denn in Paderborn wird CDU gewählt, sonst nix. Alle anderen, die ihr Kreuz irrtümlich an anderer Stelle machen, rutschen in die Spalten von SPD und die Linke. Deshalb wird Ute Berg weniger als 30 Prozent gewinnen, Borgmeier holt einen Achtungserfolg. Denn alle Erststimmen abseits der CDU sind folkloristisches Beiwerk in einem tiefschwarzen Paderborner Wahlkreis.ELMAR KOK