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Archiv-Artikel

Ostexport 2: Gute Geschenke

VON GEORG LÖWISCH

Im Südwesten, wo ich aufwuchs, hatten viele alles. Wer aber alles hat, dem schenkt man leicht nichts oder Geld. So ging der Trend zum Geld. D-Mark zu Weihnachten, D-Mark zur Hochzeit, D-Mark zum Geburtstag. Wem das zu peinlich war, der ging zu „Geschenke Hansen“ am Münsterplatz oder zu „Dies und Das“ in der Kaiser-Josef-Straße, was aber häufig zu noch peinlicheren Geschenken führte.

Weil Westdeutschland nicht mehr wusste, was es sich schenken sollte, war es dankbar, jeden Winter Pakete rüberschicken zu können: Was die nicht haben, weiß man wenigstens, sagten wir und schichteten die Milkatafeln. Vielleicht bin ich deshalb später nach Leipzig gegangen. Weil dort nicht alle alles hatten. Oder ich biege mir das so zurecht. Aber eins war eindeutig. Die Ostler schenkten anders.

Von Martina bekam ich zwei „Kapital“-Bände, Sascha schenkte mir Märchen von Rushdie, ziemlich gebraucht, aber sein persönliches Lieblingsbuch, erklärte er. Als ich mir das Kinn aufschlug, schenkte mir Uli ein Sweatshirt, auf das ein verschrammtes Gesicht gemalt war. Von Annett stammte der beklebte Kalender. Von Maja bekam ich die blaue Blechkiste mit den aufgeklebten Sternen und dem Meersand auf dem Kistenboden.

Irgendwann fing ich selber damit an, ich schaffte es nicht bei jedem Geschenk, aber das Prinzip war rübergeschwappt auf mich: Ein perfektes Geschenk braucht einen Geistesblitz, etwas Zeit und man muss hinterher wenigstens so glücklich sein wie das Geburtstagskind.

Klar, auch Wessis finden mal was Raffiniertes. Auch Ostler überreichen mal gern kaltes, geruchsloses Geld. Aber Westler, die mit dem Osten in Berührung gekommen sind, wissen, wie schade es ist, das perfekte Geschenk nicht gemacht zu haben. Quasi verschenkt.

Der Beweis? Weihnachten 2001 bekam ich ein paar schöne Dinge. Von einer Ostlerin. Kleine Geistesblitze, dazu ein Brief und ein Kussfoto, die auf rote Pappe geklebt waren. Es hieß, sie habe noch tausend andere Sachen im Kopf, die sie mir schenken könnte. Da habe ich sie geheiratet.

Georg Löwisch ist Ressorleiter der sonntaz. Geboren 1974 in Freiburg, lebt heute in Westberlin