Ein Blick in den Körper

Computertomografen liefern gestochen scharfe Bilder aus dem Innersten der Patienten. Doch die bei Ärzten so beliebte Untersuchung ist nicht ohne Risiko. Denn die Hightech-Geräte arbeiten mit ionisierenden Strahlen, die Krebs auslösen können

CT-Geräte arbeiten mit ionisierender, also Röntgenstrahlung

VON KATHRIN BURGER

Es geht ganz schnell. Nur für 10 Sekunden muss sich ein Patient in die Röhre des neuesten Computertomografen (CT) Somatom Sensation 64 aus dem Hause Siemens wagen. Nun heißt es Luft anhalten, solange das Gerät zweimal 64 Schichtbilder pro Sekunde vom Herz und von seinen Verästelungen anfertigt. Die Bilder sind gestochen scharf, dank der hohen Auflösung. Siemens Medical Solutions ist Marktführer, erfand den ersten CT im Jahre 1974.

CTs sind im Trend – wie alle bildgebenden Verfahren in der Diagnostik. Ärzte und Patienten eint die Faszination für den Blick in das Innerste. Und so schwärmte etwa Patrik Rogalla, Radiologe an der Berliner Charité, auf dem letzten Röntgenkongress: „Dem Patienten bleibt in vielen Fällen der Herzkatheter erspart.“ Bei diesem invasiven Verfahren kommt es im schlimmsten Fall zu Verletzungen der Gefäße und tödlichen Blutungen.

Aber auch Raucher, Hypertoniker, Diabetiker und Menschen mit hohen Cholesterinwerten sollen von CTs profitieren: „Bei diesen Risikopatienten kann eine Herzkrankheit mit großer Sicherheit ausgeschlossen werden“, verspricht Rogalla weiter. Eine virtuelle Reise durch Lunge oder Darm wird auch für die Früherkennung von Krebs propagiert. Patienten müssten dann etwa nicht mehr die unangenehme Dickdarmspiegelung über sich ergehen lassen.

Im Klartext: Ganze Bevölkerungsgruppen, auch Menschen ohne Beschwerden, sollen sich screenen lassen. Wie das ausgereizte Gesundheitssystem das bewältigen soll, ist fraglich. In den USA werden bereits Ganzkörper-CTs in Einkaufszentren angeboten. Wenn es um Herzkrankheiten und Krebs geht, sind Tests seit je rentabel. Immerhin erliegen beispielsweise mehr als 70 Prozent der Deutschen einem dieser Leiden.

Doch die schönen Bilder haben ihren Preis: CT-Geräte arbeiten mit ionisierender, also Röntgenstrahlung. Wegen der CT-Untersuchungen habe die Strahlenbelastung der Bevölkerung zugenommen, warnte kürzlich Wolfram König, Präsident des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) – und damit steigt das Krebsrisiko. Obwohl die CT lediglich etwa 4 Prozent der Röntgenuntersuchungen ausmacht, trägt sie mit knapp 40 Prozent zur „Verstrahlung“ der Bevölkerung bei.

Denn eine herkömmliche Röntgenaufnahme etwa des Brustkorbs hat eine Dosis von nur 0,03 Millisievert (mSv), eine CT desselben 10 mSv. Die natürliche Strahlung, die wir jährlich aufnehmen, liegt bei etwa 2,1 mSv. Im Jahr 2001 kamen auf einen Einwohner 1,8 radiologische Anwendungen. Damit sind wir Spitze im Röntgen. Das gilt auch für die CTs: Von den weltweit 350 Tomografen stehen in Deutschland die meisten.

Nach Meinung des BfS wird der CT jedoch zu oft dort eingesetzt, wo das Risiko größer ist als der Nutzen, etwa bei Früherkennungsmaßnahmen. Jede zweite Röntgenuntersuchung sei verzichtbar, so schätzen auch Experten der Deutschen Röntgengesellschaft. Und das, ohne dass die Patientenversorgung beeinträchtigt werde, so König.

Unverzichtbar sind die modernen Röntgengeräte lediglich in Notaufnahmen von Krankenhäusern, so die einhellige Meinung der Ärzteschaft. Hier, und nur hier, sei auch die CT für Kinder nach einem schweren Unfall zu verantworten, sagte Eldad Horwitz von der Gesellschaft für Pädiatrische Radiologie in der TV-Sendung „Monitor“. Denn bei Kindern wiegt eine Strahlenbelastung besonders schwer.

Umstritten bleiben jedoch viele CT-Anwendungen, so auch der „Herz-TÜV“. Der CT könne Katheteruntersuchungen nicht völlig ersetzen, meinen einige Kritiker. Weil das invasive Verfahren immer noch genauer sei.

Ein Streit ist auch über den „Kalzium-Score“ entbrannt. „Die Messung von Kalkablagerungen in den Gefäßen mittels CT ist sinnvoll, um Risikopatienten für Herzinfarkt auszumachen“, meint Gerd Assmann, Kardiologe an der Universität Münster. Doch welche Auswirkung hat Kalk in den Gefäßen? Laut einer Studie der Universität Los Angeles sterben Risikopatienten trotz verkalkter Gefäße nicht früher als Menschen derselben Risikogruppe ohne auffälligen Kalkbefund. Umgekehrt können sich Menschen mit einem negativen Befund auch nicht in Sicherheit wiegen. Denn in der US-Studie hatten Patienten mit mittlerem Risiko auch ohne Kalkablagerungen genauso viele Herzinfarkte wie solche mit verkalkten Gefäßen. „Mit der Hochleistungsdiagnostik werden in großem Umfang Befunde erzeugt, die schwer interpretierbar sind“, so Norbert Schmacke, Medizinprofessor an der Universität Bremen.

Warum der CT so gerne auch über seine Aussagekraft hinaus eingesetzt wird, kann nur vermutet werden. Gerne wird den Ärzten unterstellt, dass sich teure Geräte amortisieren sollen. Vielleicht ist es auch die Gewöhnung an High-Tech in der Arztpraxis. So manch ein Patient empfindet es deshalb als befremdlich, wenn er ohne technische Untersuchung nach Hause geschickt wird.