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Archiv-Artikel

Kirchhof in Köln – die Kunst des Ausweichens

Bei Auftritten im Rheinland gibt sich Paul Kirchhof CDU-linientreu. Mit keinem Wort erwähnt er sein Steuermodell

KÖLN taz ■ Vor dem Historischen Rathaus von Köln wehen blaue Fahnen im Wind. „Tag des Friedhofs“, steht auf ihnen geschrieben. Ein Foto mit ihm vor einem solchen Motiv? Paul Kirchhof will sich einen solchen unvorteilhaften Schnappschuss ersparen. So vermeidet er am Mittwoch lieber den Weg durch den Pulk von Fotografen, die vor dem Haupteingang auf ihn warten. Er benutzt die Tiefgarage, um in das Gebäude zu kommen.

Der frühere Verfassungsrichter und Träger des Päpstlichen Sylvesterordens ist in die Domstadt gekommen, um wieder einmal eine Auszeichnung für seine Steuervorstellungen entgegen zu nehmen. Diesmal ist es der „Meisterpreis“ des Kuratoriums der Stiftung des KölnHandwerks zur Förderung des demokratischen Staatswesens. „Das tut mir gut, das genieße ich“, sagt Kirchhof auf dem anschließenden Empfang. Den Journalisten sagt er, er werde nur zu dem gerade verliehenen Preis Fragen beantworten. So sehr Kirchhof auch versucht, entspannt zu wirken – ihm ist unschwer anzumerken, wie angespannt und gereizt er ist.

Auch das Dorinth-Hotel, in das ihn die Kölner CDU am Nachmittag zum Vortrag geladen hat, betritt Merkels angeschlagener „Kompetenz-Teamler“ nicht durch den Vordereingang. Mehrere hundert ausgesuchte Gäste sind gekommen, um den Ausführungen des „Professors aus Heidelberg“ zu lauschen. Paul Kirchhof vertritt keine politischen Positionen, er überbringt eine Heilsbotschaft. Er hält auch keine Reden, er predigt. Der Mann hat eine Mission und die ist schlicht: Einfachere Steuern, mehr Kinder, dann wird in der Bundesrepublik alles besser. Als Medium hat sich Kirchhof die CDU ausgesucht. Inzwischen scheint er begriffen zu haben, auf welches schwieriges Terrain er sich begeben hat.

Mit den immer gleichen Bildern, Beispielen und Redewendungen wirbt er zwar weiter für seine „Vision“. Die allerdings benennt er nicht mehr offen. Die Umfrageeinbrüche der Union haben ihre Wirkung gezeigt. So erwähnt Kirchhof bei seinen Auftritten in Köln mit keinem Wort mehr sein „revolutionäres“ Steuermodell. Ganz parteisoldatisch vertritt er stattdessen nur noch das CDU-Programm. Eine vierköpfige Familie bezahle künftig für die ersten 38.200 Euro des Einkommens gar keine Steuern, darüber gehe es mit 12 Prozent los, rechnet er vor. „Das hat es noch nie gegeben!“ Sollten es bei ihm nicht 25 Prozent für alle sein? „Lesen Sie unser Konzept, und nehmen Sie uns beim Wort“, wirbt er.

Kirchhof ist überaus bemüht, sich nicht anmerken zu lassen, wie ihm die Diskussionen der vergangenen Wochen zugesetzt haben. Doch man merkt trotzdem, wie sehr sie ihn verletzt haben. Kirchhof spricht von einem „Wahlkampf der Fehlinformationen“. So müsse er sich permanent überlegen: „Wie überbringe ich meine Botschaft, dass sie nicht verfremdet werden kann?“

Er antwortet nur ausweichend auf eine Frage aus dem Publikum nach seiner von ihm selbst ins Gespräch gebrachten Radsportgemeinschaft mit dem CDU-Finanzexperten Friedrich Merz: Wer auf dem Tandem vorn und wer hinten sitze, will ein Zuhörer wissen. „Ich habe viel von ihm gelernt, er hat viel von mir gelernt“, und außerdem sei es jetzt wichtig, „alle Kräfte zu bündeln“, antwortet Kirchhof. Mehr will er dazu nicht sagen: „Ich muss ein bisserl vorsichtig sein im Moment.“ Bereits im Kölner Rathaus hatte Kirchhof geklagt, ihm werde das Wort im Mund umgedreht: „Ich überlege, ob ich zu Ihnen morgens ‚Guten Morgen‘ sagen darf, oder ob dann der Gegner am nächsten Tag sagt: ‚Dieser Mensch entzieht sich der Gegenwart.‘“ PASCAL BEUCKER