Begegnung auf Augenhöhe

MUSIK Es war das letzte Projekt des im Oktober verstorbenen Hamburger Songwriters Nils Koppruch: Unter dem Namen Kid Kopphausen veröffentlichte er mit Gisbert zu Knyphausen das Album „I“

Die lyrische Wut des Freiherrn trifft die Melancholie des Liedermachers

Auf der Homepage von Kid Kopphausen empfängt einen nach wie vor die Nachricht von seinem Tod. „Am 10. Oktober ist der Hamburger Musiker und Künstler Nils Koppruch friedlich eingeschlafen, wir sind unfassbar traurig.“ Noch immer schreiben Fans in das Online-Kondolenzbuch. Koppruch habe den Alltag ebenso originell wie unpathetisch zum Ausdruck bringen können, schreibt ein trauernder Fan.

Die letzte CD-Veröffentlichung vor seinem Tod war das Album „I“, das Koppruch zusammen mit dem Musiker Gisbert zu Knyphausen unter dem Namen Kid Kopphausen herausbrachte. Die 13 Songs von Kid Kopphausen sind das Ergebnis einer Arbeit auf Augenhöhe. Der junge aufstrebende Generationspoet Gisbert zu Knyphausen verkündet Dinge wie „Ich habe Geld wie Heu, ich trag einen Hut aus Stroh“, sein Gesang geht über in die im Duett gestellte Frage „Wer bin ich?“ und tritt dann in den Hintergrund für das markige Organ von Nils Koppruch: „Ich bin dein Bruder und deine Schwester und komme aus gutem Haus“, lautet die Antwort.

Harmonisch sei die Zusammenarbeit gewesen, von Hahnenkämpfen zweier Frontleute gab es keine Spur, hat Nils Koppruch betont. „Bevor wir uns endgültig zu einer Zusammenarbeit entschlossen haben, gab es genug Gelegenheiten, uns auszuprobieren – sowohl auf Tour als auch als Songwriter.“ So schrieben Koppruch und Knyphausen schon 2008 für einen Benefiz-Sampler des Hamburger Obdachlosen-Magazins Hinz & Kunzt den Song „Knochen und Fleisch“. Außerdem spielte der junge Liedermacher im Vorprogramm des älteren und andersherum.

Auf „I“ finden sich auch Songs, die in dieser Konsequenz auf Soloalben beider Künstler kaum denkbar gewesen wären. Die eigene musikalische Identität hat jeder trotzdem verteidigt. Ein gutes Beispiel dafür ist der Song „Moses“, mit einem fast schon zähflüssigem A-cappella-Teil von Koppruch und zu Knyphausens Geschrei im Hintergrund. Gleichzeitig macht genau dieser Song wie kaum ein anderer die Stärke des Albums deutlich: Es hat zwei Väter aus zwei musikalischen Generationen.

So wechselt sich die lyrische Wut des Freiherrn zu Knyphausen ab mit der tiefen Melancholie des lebenserfahrenen Liedermachers Nils Koppruch. Nur die gleichen Songwriter-Themen zwischen Orientierungslosigkeit, Liebe und Co spannen einen zarten Bogen über diese nun einmalig bleibende Zusammenarbeit. Mit ihr bleibt uns diese Handvoll Erinnerung aus guten Stücken und einigen echten Highlights wie „Schritt für Schritt“ oder „Wenn ich dich gefunden hab“ auf einem Album, über das Gisbert zu Knyphausen sagte: „Der größte Erfolg ist für uns der gute Klang der Platte und vielleicht auch schon ihre reine Existenz.“ BIRK GRÜLING

Kid Kopphausen: „I“ (Trocadero/ Indigo)