: Hausarrest für Hühner ist umstritten
Drei Bundesländer haben für Hühner und Gänse die Freilandhaltung verboten, um sie so vor der Vogelgrippe zu schützen. Verbraucherschutzministerin Renate Künast hält dies für „reinen Aktionismus“, um die Käfighaltung wieder durchzusetzen
VON RAFAEL BINKOWSKI
Für Millionen von Hühnern gibt es ein Ausgehverbot: Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern haben die Freilandhaltung ab sofort verboten, damit die Tiere nicht durch Zugvögel aus Russland mit der Vogelgrippe angesteckt werden können. Verbraucherschutzministerin Renate Künast wittert „Lobbyinteressen“ hinter der Aktion: „Die Geflügelwirtschaft will generell Käfighaltung durchsetzen. Die Gefahr ist derzeit minimal.“
Allein in Niedersachsen sind 72 Millionen Tiere betroffen – dort gibt es mit Abstand die meisten Zuchtbetriebe. Die drei Bundesländer sind im Herbst das Zielgebiet von vielen Zugvögeln. „Ich will mir nicht vorwerfen lassen, nicht rechtzeitig gehandelt zu haben“, erklärte Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD). Das Verbot gilt auch für kleine Betriebe und private Geflügelhalter.
Applaus gibt es vom Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG). Dessen Sprecher Thomas Janning fordert, die Regelung bundesweit einzuführen: „Das Risiko muss minimiert werden.“ Künast hingegen kritisierte das Freilandverbot gegenüber der taz als „reinen Aktionismus“. Es gebe noch keinen einzigen Fall von Vogelgrippe westlich des Urals. Zudem seien infizierte Tiere ohnehin nicht in der Lage, 2.000 Kilometer weit zu fliegen. „Die größte Gefahr geht von illegalen Tiertransporten aus“, meint Künast.
Schon 2003 habe sie ein so genanntes „Monitoring“ angeordnet: Alle Bundesländer müssen mit Stichproben Wildvögel auf Influenza überprüfen. Seit einer Woche gilt ein Erlass, wonach auch Tiere in Zuchtbetrieben kontrolliert werden müssen. „Ich habe eine Eilverordnung für ein bundesweites Verbot von Freilandhaltung auf dem Tisch liegen“, sagt Künast. Diese setze sie jedoch erst in Kraft, wenn eine konkrete Gefahr vorliege.
Künast vermutet, dass die drei Bundesländer ideologisch motiviert seien. „Die Industriegeflügelhalter sind gegen die Freilandhaltung“, erklärt die Ministerin, „es hat einen großen Lobbydruck gegeben.“ Dies weist Verbandssprecher Janning weit von sich: „Wir sind auch für Freilandhaltung, aber es geht um den Schutz der Tiere.“ Das Verbot sei ohnehin nur bis zum 30. November begrenzt.
Die Wissenschaft tendiert zur Entwarnung. So erklärt das Friedrich-Löffler-Institut für Tiermedizin, es gebe keine Zugvögel, die regelmäßig von Kasachstan nach Mitteleuropa fliegen. Daher sei eine Verbreitung des H5N1-Virus auf diesem Weg unwahrscheinlich. Allerdings überlappten sich die Brutgebiete von Enten, daher könne der Erreger langsam Richtung Westen wandern. Dennoch rät das Institut: „Zur optimalen Risikovorsorge ist Geflügelhaltern zu empfehlen, ihre Bestände abzuschirmen.“
Die Gefahr für den Menschen scheint jedenfalls gering. Darauf verweist das Robert-Koch-Institut in Berlin. „Eine Meldung aus Finnland, wonach ein Mann an Vogelgrippe gestorben sei, hat sich als Ente erwiesen“, erklärt die Sprecherin Susanne Glasmacher. Das Paul-Ehrlich-Institut arbeite zudem an einem Impfstoff. In Südostasien hat die Vogelgrippe inzwischen 63 Menschen getötet – allerdings lebten sie alle eng mit ihrem Geflügel zusammen. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass das Vogelgrippenvirus mutiert und dann auch eine Pandemie beim Menschen auslösen kann.
Die Konsumenten hat die Diskussion um die Vogelgrippe bislang nicht verunsichert; der ZDG meldet ungebrochene Nachfrage nach Geflügelfleisch. Künast hält es auch für „irrational“, auf Hühnerfleisch zu verzichten. Das Verbraucherschutzministerium rät allerdings, in Russland, Kasachstan oder Südostasien Geflügel auf Märkten oder bei privaten Züchtern zu meiden.