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Warum man sich unterhalb der elbe die Gebühr für das Sportstudio sparen kannFitness Club Wilhelmsburg

Foto: Julia Wycisk

Inselstatus Leyla Yenirce

Liebe Insel, wer 50 Euro für ein Fitnessstudio im Monat zahlt und in Wilhelmsburg wohnt, ist selber schuld. Das dachte ich mir, als ich vor Kurzem in meinem E-Mail-Spam­ordner Werbung von einem Fitnessstudio-Betreiber erhielt. Denn wer auf der Insel wohnt, bekommt den Sport nämlich gratis.

Wie das? Ganz einfach: Morgens mit dem Rad zur Arbeit nach St. Pauli oder Eppendorf fünf Kilometer aus dem Reiherstiegsviertel zum Elbtunnel hin und dann wieder fünf Kilometer zurück und am Abend vielleicht noch eine kleine Ausstellung in den Deichtorhallen über die Elbbrücken sieben Kilometer hin und sieben Kilometer wieder zurück. Die Insel hält fit. Das große Problem: Ein T-Shirt sollte aus Schweißgründen nicht länger als eine Fahrt getragen werden, es sei denn, man weicht auf die S-Bahn aus – dauert doppelt so lange und sauniert wird trotzdem.

Der Nachteil beim Rad: Es erfordert bei Bedarf Wartungsarbeiten und wer es nachts nicht in den Innenhof stellt oder im Hausflur versteckt, hat am nächsten Tag wahrscheinlich keins mehr. Aber dem Thema Fahrraddiebstahl gebührt ein eigener Text. Zurück zum Sport: Wilhelmsburg kann nämlich mehr als nur Drahtesel. Wer keine Lust hat, 20 Kilometer am Tag Fahrrad zu fahren, kann die Schwimmhalle besuchen, in den Kletterpark gehen oder beim Joggen entlang des Reiherstieg-Hauptdeichs an der Kondition arbeiten.

Seit einiger Zeit gibt es sogar Insel-Yoga, für manche der meditative Ausgleich zum hektischen urbanen Alltag, für mich eher sowas wie die Hölle in Gymnastikhosen. Dann doch lieber zum neuen Kampfsportverein, der vor Kurzem seine Pforten öffnete, und eine Runde den Sandsack vermöbeln.

Das wirkt anti-agressiv und zwingt niemanden dazu, in komischen Verrenkungen Entspannung vorzutäuschen. Ob Yoga oder Boxen, immerhin ist es lobenswert, dass es ein breites Sportprogramm gibt, bei dem für alle ein bisschen was dabei ist.

Das könnte doch auch auf der Webseite der SAGA Wohnungsbaugesellschaft stehen, wenn es darum geht, Wilhelmsburg als neuen hippen Stadtteil zu vermarkten. Statt „bunt“ oder „lebendig“ könnte man nämlich auch schreiben: liegt unterhalb der Elbe und wer die andere Seite mit dem Rad überquert, bleibt auch noch richtig fit! Schwimmen, Boxen, Yoga, Radsport. Ach ja, sogar einen Ruderverein gibt es. Vielleicht werden dadurch ja sogar sportfaule Gentrifizierer*innen abgeschreckt. Oder sie widmen sich einer ganz anderen Sportart, die die Anwohner*innen auf der Insel exzessiv betreiben: Döner essen.

Leyla Yenirce ist Kulturwissenschaftlerin und schreibt wöchentlich aus Wilhelmsburg über Spießer*innen, Linke, Gentrifizierer*innen und den urbanen Wahnsinn in der Hamburger Peripherie.

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