portrait : Der Herr über die Stimmzettel
Bei Johann Hahlen laufen am Wahlsonntag alle Fäden zusammen. Nach einer langen Nacht im Bundestag wird er voraussichtlich heute morgen vor den Fernsehkameras letzte Zweifel an den Hochrechnungen ausräumen. Als Bundeswahlleiter verkündet er das vorläufige amtliche Endergebnis. Und erst mit diesem Akt ist das vorläufige Ergebnis wirklich amtlich. „Bei den letzten Bundestagswahlen wurde es halb vier, vier Uhr morgens.“ Er erwarte, dass es diesmal ähnlich sein wird, so Hahlen.
Der Präsident des Statistischen Bundesamts in Wiesbaden ist verantwortlich für den reibungslosen Ablauf von Bundestags- und Europawahlen. Mit juristischer und technischer Präzision „dirigiert“ der 62-Jährige einen Apparat von 630.000 Menschen, die am Wahlabend voraussichtlich 50 Millionen Stimmzettel auszuzählen haben.
Der Verwaltungsjurist gilt als Perfektionist. „Dass überall dort, wo Menschen arbeiten, auch Fehler passieren“, ist Hahlen zwar klar. Dennoch ärgern ihn Dortmund oder Weiden: In Dortmund hatten rund 25.000 Briefwähler falsche Wahlunterlagen erhalten, weil ein Versandunternehmen die Stimmzettel der beiden Wahlkreise verwechselte. Auf den Stimmzetteln in Weiden wurde die CSU irrtümlich als „Christlich-Soziale Union in Deutschland“ statt als „Christlich-Soziale Union in Bayern“ bezeichnet.
Überraschungen wie die Verschiebung der Wahl in einem Teil Dresdens auf den 2. Oktober nimmt Hahlen gelassen. „Eine Nachwahl ist eine Eventualität, mit der muss man bei jeder Bundestagswahl rechnen.“ Auch 2002 habe es nach dem Tod von Bundestagskandidaten in zwei Wahlkreisen Nachwahlen gegeben. Anders als in Dresden seien dort aber die neuen Stimmzettel rechtzeitig zum allgemeinen Wahltermin fertig geworden.
Hahlens Entscheidungen sind nicht immer unstrittig. So hatte Dienstherr Otto Schily (SPD) den inzwischen von den Fernsehanstalten zensierten Wahlwerbespot der Anarchistischen Pogo-Partei APPD kritisiert und von Hahlen Aufklärung über die Zulassung der Partei verlangt. Von links wurde Hahlen für seine Bedenken gegen gemeinsame Wahllisten der PDS und der Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) angegriffen. „Der Bundeswahlausschuss und ich entscheiden nach Recht und Gesetz“, verteidigt Hahlen seine Entscheidung.
Für das CDU-Mitglied Hahlen sind „saubere Wahlen nicht selbstverständlich, wenn man weltweit den Blick schweifen lässt“. Auch darauf wird er mit seinen Mitarbeitern anstoßen, wenn er im Oktober sein 10-jähriges Dienstjubiläum feiert, bevor er mit seiner Frau in den Urlaub fährt. JÖRN POLTZ, DPA