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Archiv-Artikel

Bienchen, summ herum

NATUR In „More than Honey“ erzählt Markus Imhoof von der Honigbiene, die durch die industrielle Herstellung von Honig immer mehr zu einer bedrohten Tierart wird

Man lernt vieles über die Bienen und Imhoof erzählt zum Teil sehr autobiografisch davon, warum sie für ihn so wichtig sind

VON WILFRIED HIPPEN

Es geht tatsächlich um viel mehr als „nur“ den Honig. Etwa ein Drittel von dem, was die Menschen essen, gäbe es ohne die Bienen nicht. Der amerikanische Großimker John Miller fährt mit seinen Tausenden von Bienenvölkern, die er in einem Konvoi von Lastwagen durch das riesige Land transportiert, nicht von einem landwirtschaftlichen Großbetrieb zu nächsten, um in den riesigen Mandelhainen oder Gemüsefeldern möglichst viel Honig zu produzieren. Wichtiger ist, dass die Bienen die Pflanzen bestäuben. Dafür bekommt er von den Farmern viel Geld, und so steht er in Markus Imhoofs Dokumentation mitten in den von seinen Bienen umschwirrten Baumreihen in Kalifornien, macht auf deren kompaktes, tiefe Brummen aufmerksam und sagt: „Do you hear that? It’s the sound of money.“ Einen größeren Kontrast als jenen zu dem Bergimker Fred Jaggi, der auf einer idyllischen Alm seine Bienenvölker so hegt und pflegt, wie dies seit Jahrhunderten üblich ist, kann man sich kaum denken und Imhoof nutzt diesen sowohl optischen wie auch dramaturgischen Kontrast im ersten Teil seines Films auch äußerst effektiv. Auf der Alm scheint die Bienenwelt noch in Ordnung zu sein. Der Imker versucht, seine Völker hier so rassenrein wie möglich zu halten. Einer Königin, die zu weit ausgeschwärmt ist, dreht er buchstäblich den Hals um und doch werden seine Bienen von der „Sauerbrut“ befallen – wohl gerade, weil die Inzucht sie anfällig gemacht hat.

Man lernt vieles über die Bienen in diesem Film, und Markus Imhoof erzählt zum Teil sehr autobiografisch davon, warum sie für ihn so wichtig sind. Sein Großvater produzierte Lebensmittel und hielt sich Bienenvölker, um sein Obst und Gemüse zu befruchten. Mit dem Satz: „Mein Großvater hat mir erzählt“, vermittelt Imhoof nebenbei und gemischt mit Anekdoten aus der Familienhistorie die simplen Grundwahrheiten der Bienenwelt. Später wird er seine Tochter und seinen Schwiegersohn in Australien besuchen, die sich wissenschaftlich mit der Bienenzucht beschäftigt und versuchen, die noch reinen Bienenvölker des Kontinents (die ursprünglich auch aus Europa kamen) mit den „zahmen“ europäischen Bienen zu kreuzen. Dies tun sie auf einer Insel, von der die Bienen nicht aufs Festland fliegen können, damit nicht etwa noch eine „Frankensteinbiene“ sich so verbreiten kann wie die berüchtigte Mörderbiene. Von dieser genetische Kreuzung aus afrikanischen und gezähmten Bienenvölkern entkamen einst 26 Schwärme aus dem Versuchslabor der Universität von Sao Paulo in Brasilien, und inzwischen zählen sie für die US-Amerikaner zu den am meisten gefürchteten Invasoren. Imhoof hat in Arizona einen Imker gefunden, der sich auf die „Haltung“ dieser Tiere spezialisiert hat. Während sonst immer eine Zigarre als Schutzmaßnahme gereicht hat, kann er sich ihnen nur im dicken Schutzanzug nähern, aber sie produzieren besseren Honig als ihre domestizierten Artverwandten – und sie werden nicht krank.

Die für den Menschen so nützliche, so friedlich und produktiv herangezüchtete Honigbiene ist dagegen inzwischen eine durch Seuchen bedrohte Gattung. Bei der Massenbestäubung in Kalifornien sieht man wie fliegende Bienen direkt mit Pestiziden besprüht werden – und später wie Antibiotika in das Zuckerwasser für die Tiere gemischt werden. Und Imhoof ist nach China gereist, um zu zeigen, wie dort die Menschen mühsam ihre Pflanzen selber bestäuben müssen, weil es in vielen Gegenden keine Bienen mehr gibt. Mao hatte einst befohlen, alle Spatzen als Volksschädlinge zu vernichten. Ohne Spatzen wurden die Insekten nicht mehr gefressen, diese wurden durch Chemie bekämpft und der fielen dann auch die Bienen zum Opfer. Jetzt betupfen Tausende von Wanderarbeitern Blüten mit Pollen, die Kleinunternehmer vorher gesammelt, präpariert und verkauft haben. Imhoof stellt eine von diesen Pollenhändlerinnen vor und zeigt genau, ob und wie gut solch ein biologischer Kreislauf ohne Bienen funktioniert.

Imhoff hat ein Talent dafür, interessante Protagonisten zu finden und sie vor der Kamera so reden zu lassen, dass dabei zugleich viel kompakte Information vermittelt wird und die Persönlichkeiten auf den Punkt gebracht werden. Neben zwei Bienenköniginnenzüchterinnen aus Österreich spricht er auch mit einem Bienenforscher aus Berlin, der Bienen mit kleinen Sendern auf dem Rücken zu Futterstätten fliegen lässt um zu ergründen, ob eine einzelne Biene „einen freien Willen“ hat. Nebenbei erfährt man noch, dass ein Kollege von ihm einst den Nobelpreis für seine Forschungen über den „Schwenzeltanz“ der Bienen verliehen bekam. Es war schon immer viel los in der Welt der Bienen.

Obwohl der Film vollgestopft mit Imkern und „Bienologen“ ist, zeigt Imhoof nur erstaunlich wenige von den in solch einer Dokumentation eigentlich unvermeidlichen talking heads. Stattdessen hat er sich große Mühe dabei gegeben, den Bienen mit der Kamera möglichst nah auf den Pelz zu rücken. In einem speziell eingerichteten „Bienenstudio“ gelangen ihm beeindruckende Aufnahmen von Bienen beim Abstreichen der Pollen, dem Wabenbau, der Geburt einer Königin und vielem anderen. So scheint die Kamera bei ihren Ausflügen direkt hinter oder neben den Bienen zu fliegen. Dafür kam auch eine von den sehr leichten ferngesteuerten Flugmaschinen zum Einsatz, die ein Ableger der militaristischen Drohnentechnologie sind. Wenn also in einer Sequenz eine Drohne in der Luft eine Bienenkönigin begattete (und sofort danach tot auf den Boden fiel), wurde sie dabei von einer Drohne verfolgt und gefilmt.