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Archiv-Artikel

Dortmund macht den Kanzler

Wegen einer Panne bei der Briefwahl sind in Dortmund mehr als 10.000 Stimmen ungültig. Die Dortmunder CDU will das Ergebnis anfechten – und kann damit die Kanzlerfrage entscheiden

von MIRIAM BUNJES

Dortmunder WählerInnen können das Ergebnis der Bundestagswahl möglicherweise noch kippen: Weil bei der Versendung der Briefwahl-Unterlagen die Wahlzettel der beiden Dortmunder Wahlkreise vertauscht wurden, erhielten insgesamt 50.000 Wahlberechtigte falsche Stimmzettel. Auch mit einem eigens eingerichteten Callcenter und zehntausenden Infobriefen an die BriefwählerInnen konnte die Stadt diesen Fehler nicht ausmerzen: 10.533 BürgerInnen gaben aufgrund dieser Panne eine ungültige Stimme ab. „Eine selbstverschuldete Katastrophe, durch die jetzt eine Wahlanfechtung im Raum steht“, sagt Wahlamtsleiter Ernst-Otto Sommerer.

Der unterlegene CDU-Kandidat im betroffenen Wahlkreis Dortmund I kündigte bereits am Wahlabend an: „Wir bereiten die Wahlanfechtung vor.“ Zur Zeit warten die Dortmunder Christdemokraten auf die Berechnungen des Bundeswahlleiters zur Mandatsverteilung im neuen Bundestag. „Wir müssen herausfinden, ob die Panne mandatsrelevant ist“, sagt Ralf Binnberg, Geschäftsführer der Dortmunder CDU. „Bei vergangenen Wahlen haben Briefwähler deutlich häufiger die CDU gewählt, es kann also sein, dass wir um ein Mandat betrogen wurden.“ Dann würde seine Partei notfalls vor dem Verfassungsgericht Neuwahlen erstreiten.

Zwar entschieden sich die WählerInnen im betroffenen Wahlkreis eindeutig für die Sozialdemokratie: Der SPD-Kandidat erhielt 56 Prozent der Stimmen, der CDU-Kandidat 29. 48 Prozent der WählerInnen gaben der SPD die Zweitstimmen, nur 25 Prozent entschieden sich für die CDU.

Dennoch: Im komplizierten deutschen Wahlsystem entscheidet die Gesamtzahl aller im Bundesland für eine Partei abgegebenen Stimmen, ob der Partei für dieses Land noch ein Mandat zusteht.

„Es ist tatsächlich möglich, dass die Panne die Mandatsverteilung verfälscht hat“, sagt der Duisburger Politologe Rüdiger Schmitt-Beck. „Wenn sich das herausstellt, wird die Dortmunder CDU mit ihrer Anfechtung Erfolg haben und in Dortmund wird neu gewählt.“

Und das könnte bundesweit die Mehrheitsverhältnisse kippen: „Wenn das sowieso schon knappe Ergebnis durch die Nachwahl in Dresden noch knapper wird, kann Dortmund das Zünglein an der Waage werden und über den Kanzler entscheiden“, sagt der Wahlforscher.

Wie viele Stimmen den Christdemokraten für ein weiteres nordrhein-westfälisches Mandat fehlen, konnte gestern beim Bundeswahlamt niemand sagen. Die Zuständigen hätten die ganze Nacht gearbeitet und müssten jetzt dringend ausschlafen, so eine Mitarbeiterin.