in der taz vor 15, 18 und 11 jahren: bedenkliches über bundestagswahlen
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Wieder die gleichen Töne: Das Volk hat gegen sich selbst gewählt, das Volk ist dumm. Ich finde das Volk sehr schlau. Es hat allen Parteien die Rechnung präsentiert. Und wenn wir irgendetwas damit anfangen wollen, dann müssen wir diese Rechnung auch akzeptieren. Warum ist sie so hoch ausgefallen?

Bärbel Bohley, Gastbeitrag zur Bundestagswahl 1990

Zu dem symbolischen Wahlkampftrödel gehörte bei der SPD auch der rote Haken, so eine Mischung zwischen dem V-(Sieg-)Zeichen und dem Okay. Jetzt, einen Tag nach der Wahl, kann er eine neue Bedeutung haben: abgehakt. Abgehakt ist offenbar der Incubus von der „eigenen Mehrheit“, und zwar a tempo. Möglicherweise versucht die sozialdemokratische Parteiführung, durch Schnelligkeit die drohenden Widersprüche in der Partei zu überrennen – jedenfalls frappiert das Tempo.

Klaus Hartung, Kommentar zur Bundestagswahl 1987

Für den demokratischen Machtwechsel ist die Schwäche der Regierung die entscheidende Voraussetzung. Doch eine Erfolgsgarantie für schwache Herausforderer wird daraus nicht. Das hat gestern wieder einmal die SPD erfahren. (…) Eine Opposition, die selbst die Offensive für eine Reformpolitik nur halbherzig wagt, kann sich nicht darüber beklagen, wenn auch die Wähler statt aufs laue Neue noch einmal aufs Altbewährte setzen.

Matthias Geis, Kommentar zur Bundestagswahl 1994

Wie überzeugt jemand, der nicht weiter weiß, andere von seiner immensen Wichtigkeit, obwohl er vermutet, dass alle ahnen, dass er ein König ohne Kleider ist? Dieses Stück wird gerade aufgeführt. Die Medienshow ist ein ohnmächtiger Versuch zu vertuschen, dass es bei den meisten Parteien nichts zu wählen gibt, dass nur jemand gewählt werden will. (…) Die Entmächtigung des Souveräns zum Stimmvieh ist zur primären Gefahr für die Demokratie geworden. Diese wird ausgehöhlt, wenn die Instrumente der politischen Willensbildung, die Politiker, ihrerseits den Souverän für sich instrumentalisieren. (…) Was ist von Demokratie zu halten, wenn die Wähler nicht mit der berechtigten Hoffnung zu den Urnen gehen können, dass sie mit ihrer Stimme Lösungen befördern? Stefanie Christmann, Gastbei-trag zur Bundestagswahl 1994