: Ampel nein, Jamaika jein
Die FDP will partout nicht umfallen. Und signalisiert Offenheit für schwarz-gelb-grünen Wirtschaftsaufschwung plus Kiffen
VON CHRISTIAN FÜLLER
Es war jahrelang ihr Job. Immer wenn eine Partei gebraucht wurde, das Zünglein an der Waage zu spielen, war die FDP an der Reihe. Doch diesmal zieren sich die Liberalen. Sie weigern sich partout, einfach umzufallen – und fix mit Gerhard Schröder und den Grünen eine Regierung zu bilden. „Wir sind nicht bereit, das Elend von Rot-Grün weiter zu verlängern“, weigerte sich FDP-Chef Guido Westerwelle gestern, an einer Ampel teilzunehmen. Die FDP ist wegen ihres überraschend guten Ergebnisses von knapp 10 Prozent bei der Bundestagswahl Objekt diverser Koalitionsspekulationen.
Das Vorgehen Westerwelles klingt nur auf den ersten Blick nach einem Manöver, um schrittweise die Bereitschaft für eine rot-gelb-grüne Ampelkoalition zu erhöhen. Westerwelle hat sich in aller Entschiedenheit festgelegt, ja er begann Kanzler und SPD zu verspotten: „Die Annäherungsversuche der SPD erinnern allmählich an Stalking – und das ist in Deutschland verboten.“
Der Parteichef hat dabei die ganze FDP im Rücken. Auch eher bürgerrechtlich eingestellte Abgeordnete stehen klar hinter dem wirtschaftsliberalen Westerwelle. „Wir werden noch nicht einmal Gespräche mit Gerhard Schröder führen“, versicherte etwa Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die ehemalige Justizministerin, die als potenzieller Ampelfan gezählt wurde. Offenbar steht die FDP fest zu ihrer Kandidatin Angela Merkel. Gerhard Schröders Versuche, aus dem Wahlergebnis einen Auftrag zur Regierungsbildung abzuleiten, finden die Liberalen unanständig. Daher haben sie gestern per Präsidiumsbeschluss eine Ampelkoalition ausgeschlossen.
Allerdings wollen die Freien Demokraten ausdrücklich nicht die Ampel mit der schwarzen Ampel verwechselt sehen, der schwarz-gelb-grünen Koalition. Westerwelle bremst seinen Furor merklich, wenn er über das – wegen der Nationalfarben – „Jamaika“-Bündnis von Union, FDP und Grünen spricht. „Ich kann derzeit nicht beurteilen, ob sich die Grünen neu erfinden werden“, gibt er sich einerseits skeptisch. Und lädt andererseits die Partei Joschka Fischers offen dazu ein, sich zu bewegen. „Wenn jemand behilflich sein will, dass Schwarz-Gelb ins Amt kommt, dann bitte sehr!“
Hintergrund der neuen gelben Standhaftigkeit ist eine grundsätzliche und ein machtpolitische Überlegung. „Wir wären doch verrückt, wenn wir unsere mühsam erarbeitete Glaubwürdigkeit sofort wieder aufs Spiel setzen“, berichtet ein Fraktionsmanager der FDP. Wer sich einmal zu schnell in ein gemachtes Bett lege, dem hänge das jahrelang als schlechter Ruf nach. Daher sei eine Koalition mit denen vollkommen ausgeschlossen, zu deren Abwahl man die ganze Zeit getrommelt habe. Zudem haben die Liberalen erkannt, dass nicht sie, sondern eher die Grünen zu Kompromissen gezwungen sind.
Gegen den Eintritt der Grünen gibt es folglich vielerlei Bedenken – aber kaum schroffe Ablehnung. Die frechen Landeschefs der FDP sind bereits dafür. Die schwarz-grün-gelbe Jamaika-Koalition sei die „attraktivste aller derzeit denkbaren Varianten und darf nicht von vornherein ausgeschlossen werden“, sagte Schleswig-Holsteins FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki der Welt. Auch Berlins FDP-Fraktionschef Martin Lindner wäre dafür zu haben. Und im Hintergrund werden bereist attraktive Kurzformeln für die neue Liaison kreiert. Schwarz-Gelb-Grün, das wäre „Steuern senken und Liebe schenken“, heißt es in der Bundestagsfraktion. Andere sprechen vergnügt von Wirtschaftsaufschwung plus Kiffen.
Allerdings stünde einem Jamaika-Bündnis programmatisch einiges im Wege. Die Grünen haben zuletzt steuerpolitisch einen ganz anderen Kurs als die FDP gefahren. Sie sind bei der Gentechnik und bei der Umweltpolitik auf einem grundsätzlich anderen Kurs. Es gibt aber auch zahlreiche Parallelen – etwa in der Innen- und Außenpolitik.