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Archiv-Artikel

Soldaten dürfen den Zapfen streichen

Oberverwaltungsgericht Münster lehnt die Beschwerde friedensbewegter Christen gegen den „Großen Zapfenstreich“ der Bundeswehr vor dem Kölner Dom ab. Friedensgruppen rufen für heute zum Protest gegen das Militärspektakel auf

MÜNSTER/KÖLN taz ■ Der „Große Zapfenstreich“, den die Bundeswehr heute in Köln zelebrieren will, kann wie geplant stattfinden. Das entschied gestern der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts Münster. Er lehnte die Beschwerde zweier friedensbewegter Christen aus Bonn ab, die sich durch die Veranstaltung vor dem Kölner Dom in ihren religiösen Gefühlen verletzt sehen.

Nach Ansicht des Gerichts würden die Beschwerdeführer nicht in ihrem Grundrecht auf freie und ungestörte Religionsausübung verletzt, da die Religionsfreiheit dem Einzelnen kein Recht darauf gewähre, „von fremden Glaubensbekundungen, kultischen Handlungen und religiösen Symbolen verschont zu bleiben“. Insoweit sei verfassungsrechtlich lediglich garantiert, dass niemand an religiösen Handlungen teilnehmen müsse. Dem „Zapfenstreich“ könne jedoch ohne Weiteres aus dem Weg gegangen werden. In ihrer Beschwerde hatten die beiden Pax Christi-Mitglieder demgegenüber argumentiert: „Die Instrumentalisierung des Christentums durch die Bundeswehr, deren Legitimation auf diese Weise bestärkt werden soll, und die Indienstnahme christlicher Symbole und Traditionen verletzen unsere religiösen Überzeugungen und Gefühle zutiefst.“

Inwieweit die traditionelle Einbeziehung von christlicher Symbolik – wie beim Befehl „Helm ab zum Gebet“ und der instrumentellen Darbietung des Kirchenlieds „Ich bete an die Macht der Liebe“ – mit der Pflicht des Staates zur religiös-weltanschaulichen Neutralität vereinbar sei, sei „nicht entscheidungserheblich“ gewesen, befanden die Münsteraner Richter. Deshalb habe es hierzu auch keiner Entscheidung bedurft. Mit ihrem Beschluss bestätigten sie eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln (taz berichtete).

Der „Große Zapfenstreich“ ist Teil eines außergewöhnlichen Militärspektakels, das die Kölner aus Anlass des 50-jährigen Bestehens der Bundeswehr ausgerechnet am heutigen Weltfriedenstag der Vereinten Nationen über sich ergehen lassen müssen. Eröffnet wird der Militärevent mit einem für zehn Uhr angesetzten „Gelöbnisgottesdienst“ im Dom. Danach haben sich ab etwa 12 Uhr 280 Rekruten aus Goslar und Germersheim zum „feierlichen Gelöbnis“ auf dem angrenzenden Roncalliplatz zu versammeln, um ihren Diensteid abzulegen. Für 14 Uhr ist ein einstündiges Platzkonzert mit dem Luftwaffenmusikkorps 3 aus Münster vor dem Historischen Rathaus geplant, für 18 Uhr hat Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) zu einem Rathausempfang für Bundeswehr und Ehrengäste geladen.

Ab 20 Uhr steht dann auf dem Roncalliplatz der „Große Zapfenstreich“ mit Fackelträgern und musikalischen Genüssen wie dem „Fliegermarsch“ und „Des Großen Kurfürsten Reitermarsch“ als krönender Höhepunkt auf dem Programm. Etwa 1.300 Soldaten werden hierzu vor dem Dom aufmarschieren. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Kölner Innenstadt erst einmal, 1964, von einer derartigen Veranstaltung heimgesucht.

Diesmal hatten im Vorfeld PDS-Offene Liste, Grüne und die Wählerinitiative „Gemeinsam gegen Sozialraub“ im Kölner Rat versucht, die militärischen Feierlichkeiten zu verhindern. Sie scheiterten allerdings am Widerstand von CDU, SPD und FDP. Köln ist mit über 10.300 Soldaten und zivilen Mitarbeitern der größte Bundeswehrstandort der Republik. Die Bundeswehr ist der drittgrößte Arbeitgeber in der Domstadt.

Nachdem nun auch gerichtlich dem obszönen Spektakel nichts mehr im Wege steht, haben Friedensgruppen für heute zu Protestaktionen aufgerufen, um „der regierungsamtlichen Narretei auf dem Roncalliplatz karnevalistische Verhältnisse zu bereiten“. PASCAL BEUCKER