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Archiv-Artikel

Spürnase Rüttgers hat versagt

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident redet die dramatischen Stimmenverluste seiner CDU schön, kritisiert aber leise den neoliberalen Kurs Angela Merkels. SPD will an Kanzler Schröder festhalten

AUS DÜSSELDORFANDREAS WYPUTTA

Jürgen Rüttgers kämpft. Nicht weiter schlimm seien die dramatischen Verluste seiner CDU, erklärte Rüttgers gestern den erstaunten Journalisten der Landespressekonferenz. Dabei haben die Christdemokraten im Vergleich zur Landtagswahl im Mai 10,4 Prozent der Stimmen verloren, fielen bei der Bundestagswahl mit 34,4 Prozent wieder hinter die NRW-SPD zurück, die auf 40,0 Prozent kam. Ob das der vielbeschworene „Rüttgers-Effekt“ sei, wurde der Regierungschef gefragt. „Ich finde das alles nicht so wichtig“, antwortete Rüttgers, räumte aber ein, von dem miesen Wahlergebnis überrascht worden zu sein: „Wir sind enttäuscht, haben das nicht so erwartet, nicht erspürt.“

Dann der Blick nach vorn. Rüttgers gibt den Staatsmann, warnt vor „politischer Instabilität“, der „Unregierbarkeit“ der Republik: „Wir können hier keine italienischen Verhältnisse brauchen.“ Rot-Grün im Bund sei abgewählt, CDU und ihre bayerische Schwesterpartei CSU hätten als stärkste Fraktion den Auftrag zur Regierungsbildung, betont der Ministerpräsident – und erteilt „der merkwürdigen Argumentation der SPD“, sie als stärkste Partei führe die Gespräche, eine klare Absage.

Doch mit wem seine Partei koalieren soll, nachdem es für Schwarz-Gelb nicht reicht, weiß Rüttgers nicht. „Wir werden mit den Roten reden, ob es Gemeinsamkeiten gibt“, sagt Nordrhein-Westfalens CDU-Landesparteichef. „Wir reden erst mit der FDP und dann mit den Grünen, obwohl wir nicht nur die Roten, sondern auch die Grünen abgewählt haben wollten“, sagt er kurz darauf und wirkt verwirrt: „Das Spiel läuft noch.“

Neuwahlen schließt Jürgen Rüttgers ausdrücklich aus. „Es kann nicht sein, dass Politiker so lange wählen lassen, bis sie ein Ergebnis haben, das ihnen genehm ist.“ Und: „Geschlossen“ stehe die nordrhein-westfälische CDU hinter dem Machtanspruch, der Kanzlerkandidatur ihrer Bundesparteichefin Angela Merkel – noch. Schon jetzt kriecht leise Kritik an Merkels neoliberalem Kurs durch Rüttgers‘ Sätze. „Es darf keine Verengung auf ökonomische Fragen geben“, sagt der CDU-Chef. Bei Neuwahlen im Land werde er wieder die Mehrheit der Arbeitnehmer-Stimmen erringen. „Aber das ist ja noch ein paar Jahre hin“, sagt Rüttgers und klingt erleichtert.

Kurz darauf feiert sich SPD-Chef Jochen Dieckmann als Sieger – schließlich hat seine Partei im Vergleich zu den Landtagswahlen 2,9 Prozent gewonnen. Rüttgers‘ Anspruch vom „Vorsitzenden der Arbeiterpartei“ sei Vergangenheit, freut sich Dieckmann: „Es wird Rüttgers nicht geglaubt, dass er für sozialen Ausgleich steht.“ Auch NRW-SPD-Fraktionschefin Hannelore Kraft verteidigt noch einmal die Schröderschen Reformen, verkauft ihre Partei als das kleinere Übel: „Es war vorteilhaft, dass wir mit dem CDU-Steuerexperten Kirchhof eine Folie hatten, die zeigt, dass es um eine andere Republik ging.“ Jetzt wollen die Sozialdemokraten mit Schröder weitermachen, betont Parteichef Dieckmann euphorisch: „Bei diesem gefühlten Ergebnis, nach dieser fulminanten Entwicklung gibt es keine andere Alternative.“