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Mit anderen Worten

EU und Deutsche Welle wollen die Medienvielfalt in Weißrussland fördern. Das Pikante: Gesendet wird vor allem in der alten Besatzersprache Russisch

VON BARBARA OERTEL

Bislang lautet das Motto im weißrussischen staatlichen Fernsehen und Radio: Präsident Alexander Lukaschenko auf allen Kanälen. Doch damit dürfte bald Schluss sein. Letzte Woche kündigte die Europäische Kommission in Brüssel an, für die Produktion unabhängiger Radio- und Fernsehsendungen in russischer und weißrussischer Sprache, die in Weißrussland gesendet werden sollen, rund zwei Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Bis zum 11. Oktober können sich Sendeanstalten für das Projekt, das auf zwei Jahre angelegt ist und am 1. Januar 2006 starten soll, bewerben. „Die Menschenrechtssituation in Weißrussland verschlechtert sich immer weiter. Wenn das Land seinen Weg zur Demokratie finden soll, brauchen die Menschen Zugang zu freien Medien“, sagte die Kommissarin für EU-Außenbeziehungen Benita Ferrero-Waldner.

Zwar dürfte niemand die Notwendigkeit eines Gegengewichtes zu den staatlich gelenkten Lukaschenko-Propagandasendern bestreiten. Dennoch stößt das Brüsseler Projekt auf Kritik – besonders bei EU-Parlamentariern aus den neuen Mitgliedstaaten. Die Kommission riskiere, sich zu Russlands Komplizen bei der Russifizierung seiner Nachbarn zu machen, sagte Litauens Ex-Staatspräsident Vytautas Landsbergis unter Verweis auf die geplanten Beiträge in russischer Sprache. Der Este Toomas Hendrik bezeichnete die jeweiligen Landessprachen als ein Hauptwerkzeug demokratischer Veränderungen in Osteuropa: „Natürlich verstehen alle Weißrussen Russisch. Aber können Sie sich vorstellen, was das für die Menschen bedeutet, an die sie sich wenden?“

Für zusätzliche Verärgerung sorgen die Ausschreibungsregeln Brüssels. So müssen Sendeanstalten einen jährlichen Mindestumsatz von drei Millionen Euro nachweisen, wollen sie den Zuschlag erhalten. Dieses schließe Polen und Litauen von vornherein aus, maulten einige EU-Parlamentarier. Bereits im vergangenen Monat hatte ein Medienprojekt für Weißrussland Staub aufgewirbelt. Dabei geht es um ein fünfzehnminütiges Programm, das die Deutsche Welle ab dem 1. November an fünf Tagen in der Woche in Lukaschenkos Reich ausstrahlen wird. Gegenstand der Berichterstattung sollen vor allem Politik, Wirtschaft und soziale Fragen sein. Das Projekt, das zunächst auf ein Jahr angelegt ist und auf die Zuarbeit weißrussischer Korrespondenten setzt, wird von Brüssel mit 138.000 Euro unterstützt. Stein des Anstoßes für Teile der weißrussischen Opposition: Die Deutsche Welle wird in russischer Sprache senden.

Begründet wird dies unter anderem mit begrenzten finanziellen Möglichkeiten. Zwar ist das Russische, neben dem Weißrussischen, zweite Staatssprache und das Hauptverständigungsmittel in dem 10-Millionen-Einwohner-Staat. Genau diese Dominanz ist aber auch eins der erklärten Ziele der Politik Lukaschenkos. Seit seinem Amtsantritt im Jahre 1994 versucht der autokratische Staatschef und Sowjetnostalgiker die weißrussische Kultur und Sprache, die er selbst nur unzureichend beherrscht, mit allen Mitteln zu bekämpfen.

Daher sehen diejenigen Lukaschenko-Kritiker, die seit der Unabhängigkeit des Landes 1991 für die Förderung des zu Sowjetzeiten unterdrückten nationalen Kulturerbes einsetzen, das geplante Deutsche-Welle-Programm als Affront. Die weißrussische Gesellschaft sei sehr verletzt angesichts des mangelnden Respekts der deutschen Seite, befand Aleh Trusau, Vorsitzender der Gesellschaft für die weißrussische Sprache.

Uladzimir Kolas, potenzieller Kandidat der Opposition für die Präsidentenwahlen 2006, bemüht sich um eine pragmatische Sichtweise. Bis 2001 war er Direktor eines Gymnasiums in Minsk, in dem ausschließlich auf Weißrussisch unterrichtet wurde. Dann ließ Lukaschenko die „Brutstätte der Opposition“ schließen. „Wer zahlt, bestellt eben auch die Musik“, sagt Kolas. Zwar bestünde die Gefahr, dass durch das Programm die Gräben in der Gesellschaft vertieft würden. Doch sei Sprache nicht alles: „Wichtiger sind die Inhalte des Programms und die Professionalität der Programmmacher.“

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