piwik no script img

Archiv-Artikel

CDU sucht Partner

Führende Politiker von CDU und CSU haben den Anspruch der Union auf Bildung einer Regierung unter Führung von CDU-Chefin Angela Merkel bekräftigt. Dabei wurde gestern erstmals auch der Gedanke einer von den Grünen tolerierten schwarz-gelben Minderheitsregierung ins Gespräch gebracht. Merkel hatte am Montag erste Sondierungsgespräche mit FDP, SPD und Grünen noch für diese Woche angekündigt. Auf der Tagesordnung der konstituierenden Sitzung der neuen CDU/CSU-Bundestagsfraktion stand gestern ihre Bestätigung als Vorsitzende. Unterstützung hat Merkel in diesen Tagen bitter nötig. Nach dem schlechten Abschneiden ihrer Partei bei der Bundestagswahl ist eine Koalitionsbildung für die CDU-Spitzenkandidatin außerordentlich schwer.

Nach Ansicht des stellvertretenden CDU-Vorsitzenden Christoph Böhr wird die Entwicklung „möglicherweise schon ganz bald“ darauf hinauslaufen, dass sich Merkel ohne vorherige Koalitionsvereinbarung im Bundestag zur Wahl stellt und dann möglicherweise mit Stimmen von FDP und Grünen im dritten Wahlgang mit einfacher Mehrheit gewählt wird. Das müsse dann nicht zwingend eine Minderheitsregierung sein, sagte Böhr im Deutschlandfunk. Wenn die Grünen zur Wahl Merkels bereit wären, dann wäre das „eine Offerte auch an uns, über mehr Gemeinsamkeiten nachzudenken“. Eine große Koalition mit Gerhard Schröder als Bundeskanzler tat Böhr als „Treppenwitz“ ab.

Demgegenüber sagte Sachsen-Anhalts Regierungschef Wolfgang Böhmer (CDU), eine Minderheitsregierung könne er niemandem empfehlen. Damit könne man ein Land bestenfalls eine gewisse Zeit verwalten, aber nicht gestalten, sagte Böhmer im Deutschlandradio Kultur.

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) erteilte den Gedankenspielen über eine schwarz-gelbe Minderheitsregierung eine klare Absage. Deutschland brauche angesichts der ökonomischen Krise möglichst rasch eine stabile Regierung. „Jetzt gilt: Erst das Land, dann die Partei“, sagte Rüttgers in Düsseldorf. Alle demokratischen Parteien müssten in dieser Bewährungsprobe ihre Kompromissfähigkeit unter Beweis stellen. Auch Rüttgers wies den Anspruch Schröders auf Verbleib im Amt entschieden zurück. „Schröder kann nur Kanzler bleiben, wenn er sich von der PDS wählen lässt“, meinte er.

Der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Bosbach kritisierte im NDR die Argumentation der SPD, sie als stärkste Partei müsse den Kanzler stellen, als „Karneval“. Im Bundestag seien es nicht Parteien, die die Fraktionen bildeten, sondern Abgeordnete, sagte Bosbach. Die Parlamentarier von CDU und CSU hätten nach Lage der Dinge auch in 14 Tagen noch drei Sitze mehr als die SPD. „Und deshalb werden wir an dem Anspruch auf Kanzlerschaft von Frau Merkel selbstverständlich festhalten“, betonte der CDU-Politiker.

Der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) warf Schröder vor, sich nicht an die demokratischen Spielregeln zu halten. Dennoch plädierte er im Bayerischen Rundfunk gegen ein Bündnis mit den Grünen und für eine große Koalition unter Führung Merkels. „Als Juniorpartner unter der SPD stehen wir nicht zur Verfügung.“ Sich ein Bündnis mit den Grünen vorzustellen, habe er „allergrößte Schwierigkeiten“.

Dagegen zeigte sich Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) offen für eine schwarz-grüne Kooperation auf Bundesebene. In einem Radiointerview sagte er gestern, dass der Bundestagswahlkampf innerhalb der SPD/CDU-Koalition in Brandenburg zu Verletzungen und Irritationen geführt habe. Einer großen Koalition auf Bundesebene unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) erteilte auch Schönbohm eine Absage.

Morgen will sich Merkel mit SPD-Chef Franz Müntefering zu einem ersten Sondierungsgespräch treffen. AP, DPA, AFP