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Archiv-Artikel

Dicke Kredite für den Nachtragshaushalt

Der nordrhein-westfälische Finanzminister Helmut Linssen (CDU) muss weitere 2,2 Milliarden Euro Schulden machen. Personal wird dennoch nicht abgebaut. Die Höhe des Kredit finanzierten Nachtragshaushaltes ist umstritten

Fürs Sparen sei es zu spät. „Mit der Schönrechnerei wird aufgehört“, sagt NRW-Finanzminister Helmut Linssen (CDU) und leiht sich Geld. Die Neuverschuldung des Landes Nordrhein-Westfalen erreicht in diesem Jahr den Rekordwert von knapp 7,4 Milliarden Euro. „Rot-Grün hat mit unrealistischen Annahmen gerechnet und den Haushalt auf Sand gebaut“, sagt Linssen.

Knapp eine Milliarde Euro erhalten allein die landeseigenen Gesellschaften Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB) und die Beteiligungsverwaltungsgesellschaft (BVG). Damit sollen Kredite abgelöst werden. „Das ist ein verdeckter Sparstrumpf des Finanzministers“, kritisierte Hannelore Kraft, Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion. Die neue Regierung bilde damit eine Rücklage aus Schulden. Sie selbst habe vor dem Verfassungsgerichtshof erstritten, dass ein solches Verfahren verfassungswidrig wäre. Linssen wies den Vorwurf zurück. „Wir holen diese Schulden in den Landeshaushalt, wo sie hingehören“, sagt der Finanzminister. Rund 400 Millionen Euro seien auch für Nachzahlungen in den Länderfinanzausgleich fällig. Hier müssen zu geringe Ansätze der alten Regierung korrigiert werden.

Zusätzlich wird der angekündigten Stellenabbau zur Haushaltssanierung noch einige Zeit warten müssen. In diesem Jahr kosten die Staatsdiener rund 22 Milliarden Euro, mehr als 40 Prozent der Einnahmen des Landes. Um die Quote wieder zu drücken, müssten mehrere 10.000 Stellen abgebaut werden. Das anvisierte Ziel der schwarz-gelben Regierungskoalition soll aber erst 2015 erreicht werden.

In der Landesverwaltung wollte man jedes Jahr 1,5 Prozent Personal abbauen. So steht es im Koalitionsvertrag. Jetzt kommen allerdings erst einmal Stellen dazu. Für die 1.000 zusätzlichen Lehrer sind im Nachtragshaushalt 22 Millionen Euro vorgesehen. Die Ministerien benötigen rund 100 neue Stellen. Die werden 5,5 Millionen Euro kosten.

Momentan liegt der Gesamtschuldenstand des Landes bei rund 110 Milliarden Euro. „Rot-Grün hat uns einen Scherbenhaufen hinterlassen“, begründet Linssen die Kreditaufnahme.

„Die zu erwartenden Steuermehreinnahmen für 2005 reichen vollkommen aus, um die Mehrbedarfe im Haushalt 2005 zu decken“, sagt dagegen Hannelore Kraft. Der Rest hätte durch Einsparungen erwirtschaftet werden können. Sie bestreitet nicht, dass ein Teil des Korrekturbedarfes im Haushalt 2005 aus ihrer Regierungszeit stamme. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um Einnahmen, die in diesem Jahr nicht zu realisieren waren, zum Beispiel bei Wetteinnahmen oder Erlösen aus dem Verkauf der Studienfonds. Insgesamt sei dadurch ein Minus von 350 Millionen Euro entstanden. Der zusätzliche Anteil am Länderfinanzausgleich sei erst mit Abrechnung zum 21. Juli 2005 ermittelt worden. Er sei Ausdruck der weiter gewachsenen Steuerkraft des Landes und der positiven Einnahmenentwicklung. „Das ist ein Erbe von Rot-Grün“, sagt sie.

Wie es mit dem Haushalt in NRW weitergeht, wird sich in den nächsten Wochen entscheiden. Erst Ende Oktober kommen wohl Vorschläge der eingesetzten Expertenkommission zur Haushaltssanierung. Damit will Linssen ein „deutliches Signal der Konsolidierung“ setzen, die diesjährige Neuverschuldung soll 2006 deutlich unterschritten werden. „Mit mir wird es keine getürkten Haushalte geben“, sagt er. Allerdings dürfen die Zinsen nicht mehr steigen. Diese Mehrkosten könnten nicht mehr aufgefangen werden. Der Haushalt ohne Kredite in 2015 wäre dann eine finanztechnische Illusion.

PETER ORTMANN