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Archiv-Artikel

Buten hui, binnen pfui

Das Hamburger WeltWirtschaftsinstitut prognostiziert dem Norden für 2005 und 2006 eine moderate Konjunktur: Der Export ist im Aufwind, die Binnennachfrage allerdings lässt weiter zu wünschen übrig. Bitter ist das für den Einzelhandel und den Mittelstand, während die metallerzeugende Industrie und die Häfen boomen

Der Ausblick ist verhalten optimistisch. Nach einer von der HSH Nordbank in Auftrag gegebenen Studie des Hamburgischen WeltWirtschaftsinstitutes (HWWI) entwickelt sich die Wirtschaft im Norden etwas besser als der Bundesdurchschnitt. Für das laufende und auch das kommende Jahr prognostiziert das Institut Hamburg ein Wirtschaftswachstum von jeweils 1, 25 Prozent, während Schleswig-Holstein mit Zuwächsen von rund einem Prozent rechnen kann. Die Wachstumsprognose für den Bund in diesem Jahr hatte das Institut hingegen Anfang der Woche von 0,7 auf 0,6 Prozent weiter nach unten korrigiert.

Hamburg profitiert dabei als Handels- und Verkehrsdrehscheibe vom im Zeitalter der Globalisierung zunehmenden Welthandel. „Die konjunkturelle Erholung wird wesentlich vom Export getragen, während die Binnennachfrage weiterhin vor sich her dümpelt“, fasst der Leiter der Regionalstudie, Eckhardt Wohlers zusammen. Wachstumsimpulse gehen dabei hauptsächlich vom Hamburger Hafen aus, der in diesem und wohl auch im kommenden Jahr „neue Umschlagsrekorde“ verzeichnen werde.

Zudem sei die metallerzeugende und -verarbeitende Industrie etwa aufgrund der weltweit hohen Stahlnachfrage „stark im Aufwind“. Zu weiteren Konjunkturstützen der Hansestadt entwickeln sich neben der Airbus-Produktion zunehmend auch der Bereich der „unternehmensorientierten Dienstleistungen“ und die Touristik-Branche, die einen Anstieg an Kurzreisen in die Nordmetropole verzeichne.

Auch Schleswig-Holstein, vor allem der Süden des Landes, profitiert vom Hafen- und Handelsboom. Besonders die Industrie des Landes befindet sich auf Expansionskurs. Treibend sind hier der Chemiezweig, die Metallerzeugung, die Elektrotechnik und nicht zuletzt der Schiffsbau. Die Auftragsbücher der meisten Werften seien bis über das kommende Jahr hinaus ausgelastet. Weiter bergab geht es in beiden Bundesländern hingegen mit dem Baugewerbe.

Da die Binnennachfrage laut Institutsleiter Thomas Straubhaar „das Sorgenkind“ ist und auch im Kommenden Jahr „mit einem weiteren Dämpfer zu rechnen“ hat, bleiben die Wachstumsimpulse begrenzt und wirken sich nur gering auf die Erwerbslosenzahlen aus. Während sich in Hamburg die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze zumindest stabilisiert, nimmt sie im nördlichsten Bundesland weiterhin kontinuierlich ab.

Hamburg bleibt damit Globalisierungsgewinner. Und da die „Weltkonjunktur“ durch den Boom in Osteuropa und auf den asiatischen Märkten weiterhin „sehr robust“ bleibe, dürfte sich daran nach Auffassung der Wirtschaftsforscher kurzfristig auch nichts ändern. Dabei hänge jedoch „das Damoklesschwert des hohen Ölpreises“ über allen positiven Zukunftsprognosen. Bringt das teure Öl den globalen Konjunkturmotor ins Stocken, werde auch die norddeutsche Wirtschaft ins Stottern geraten.

Auffällig: Bei seinen politischen Forderungen setzt das renommierte Wirtschaftsinstitut weiter allein auf die Außenwirtschaft. So fordern die Ökonomen vor allem eine „Entbürokratisierung“ und damit Tempoerhöhung bei ökologisch umstrittenen Großprojekten wie dem Ausbau des Airbuswerkes und der Hafenerweiterung. Bei der Frage, wie die lahmende Binnennachfrage – die vor allem den Einzelhandel und den gesamten Mittelstand auf keinen grünen Zweig kommen lässt – anzukurbeln sei, haben die Wirtschaftsforscher wenig zu bieten.

Durch die immer stärkere wirtschaftliche Anbindung des schleswig-holsteinischen Südens an die Hafenmetropole entwickelt sich laut Straubhaar „der Nordstaat ökonomisch von ganz allein“. Zwar sei es wichtig, „wenn die Landesregierungen diese Entwicklung nicht bremsen, sondern durch verstärkte Zusammenarbeit fördern“, doch eine politische Zusammenlegung der Bundesländer sei deshalb alles andere als zwingend. „Es ist besser, wenn das von unten wächst, als wenn Politiker das von oben verändern“, glaubt etwa Eckhardt Wohlers. Marco Carini