LESERINNENBRIEFE :
Herr Steinbrück versteht nichts
■ betr.: „Steinbrück spendet Stadtwerke-Honorar“, taz vom 9. 11. 12
Mit der Spende (25.000 Euro) seines Vortragshonorars der Bochumer Stadtwerke möchte Herr Steinbrück „der Angelegenheit ein gütliches Ende setzen“. Um eine solche Summe zu erwirtschaften, braucht mein Hausarzt drei Monate; als Grundschullehrer habe ich mehr als ein halbes Jahr dafür arbeiten müssen; die Verkäuferinnen in meinem Heimatort – bei stets ganztägigem Einsatz – benötigen etwa zweieinhalb Jahre, andere abhängig Werktätige mit einem 400-Euro-Job über fünf Jahre. Herr Steinbrück versteht nichts, will nichts verstehen! Spürt nicht einmal, dass arrogantes Mäzenatentum und Almosen nicht gefragt sind, sondern dringlichst eine knallharte Auseinandersetzung über Arbeitsleistung, gerechte Entlohnung und Existenzsicherung. Dieser Mann wird die Schere weiter vergrößern. Quo vadis, SPD? ORTWIN MUSALL, Rotenburg
Konsequente Umsetzung
■ betr.: „Merkel mies betreut“, taz vom 10. 11. 12
Ich finde das Betreuungsgeld richtig gut. Mir fehlt nur die konsequente Umsetzung des Grundgedankens auf andere Bereiche: Wie viel ließe sich an Staatsausgaben sparen, wenn der Bürger für die Nicht-Inanspruchnahme staatlicher Leistungen einen kleinen Ausgleich erhält? Millionen ließen sich im Schulbereich kürzen, wenn durch die Einführung eines Beschulungsgeldes und Unterricht am heimischen Herd die Schülerzahlen endlich gesenkt werden könnten. Badegeld und zu Hause duschen hilft klammen Kommunen, ihre teuren Schwimmbäder zu schließen. Schutzgeld als staatliche Gegenleistung für die Selbstverpflichtung, auf jegliche Polizeihilfe zu verzichten; Justizgeld für alle, die sich ihr Recht sowieso lieber selbst holen wollen; und schließlich Parlamentsgeld für alle, die auf ihr Wahlrecht verzichten und daraufhin eine drastische Verkleinerung des Bundestags ermöglichen. GÜNTER WEIGT, Oststeinbek
Es ist paradox
■ betr.: „SS-Fans am Sturmgewehr“, taz vom 8. 11. 12
Es ist paradox: Alle Initiativen, die sich gegen Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus engagieren wollen, müssen nach dem Willen der Familienministerin, um staatliche Förderung zu erhalten, die berüchtigte „Extremismusklausel“ unterschreiben. Beim Eintritt in die Bundeswehr dagegen spielt offensichtlich die Frage nach der Gesinnung keine Rolle. Selbst wenn die nationalsozialistische Gesinnung offen zutage tritt, werden keine Konsequenzen gezogen. Im Falle von Uwe Mundlos hat wohl das absolvierte Schießtraining mit dazu beigetragen, dass er zusammen mit Uwe Böhnhardt mordend durchs Land zog. Wäre hier nicht eher eine Erklärung zur demokratischen Grundordnung angebracht, als unbescholtene BürgerInnen unter Generalverdacht zu stellen?
HELGA SCHNEIDER-LUDORFF, Oberursel
Lieber in die Spielothek
■ betr.: „Große Lebensverunsicherung“ u.a., taz vom 9. 11. 12
Der gestrige Tag (8. 11. 12) zeigt also, was jeder eigentlich längst wissen müsste: Den Versicherungskonzernen geht es nicht um ihre Kunden, sondern zuerst um ihre eigene Rendite. Der einzig logische Schluss müsste sein, die Idee einer „privaten Säule der Altersvorsorge“ auf den Müll zu schmeißen. Sonst kann man die Rentenversicherten lieber gleich zu Herrn Gausel in die Spielothek schicken. Die Riestersubvention muss beendet werden, die Riestertreppe abgerissen werden, der Nachhaltigkeitsfaktor muss weg. Statt den Konzernen die Taschen zu füllen, sollten wir lieber die gesetzlichen Rentenbeiträge langsam erhöhen.MICHAH WEISSINGER, Essen
Weit verbreitete Frustration
■ betr.: „Nein! Nein! Nein!“, taz vom 10. 11. 12
Selten so gelacht? Seit 1987 wähle ich nicht mehr. Silber Jubiläum? Nein, da hängt ein Trauerflor dran. Dank vieler Quellen und Autoren sowie eigener Ausbildung kommt man zu Einblicken, die den tödlichen Geburtsfehler des Systems vorrangig sehen.
Die geringe Wahlbeteiligung liegt eben nicht nur daran, dass man desinteressiert oder „unpolitisch“ ist. Sie ist auch Ausdruck einer weit verbreiteten Frustration durch die massiven sozialen Ungerechtigkeiten. Es ist eben so ein Kreuz mit dem Kreuzchen. Eine europäische Solidaritätsaktion ist mit Sicherheit gut gemeint, verfehlt aber die wirtschafts- und sozialpolitischen Realitäten. Nicht nur die berühmt-berüchtigten „Whistleblower“ wissen darum.
KLAUS-G. WALTHER, Reinbek
Keine Veränderungen zu erwarten
■ betr.: „Der Sozialwirt und die Religiöse“, taz.de vom 10. 11. 12
Wer nach dieser Urwahl noch daran zweifelt, dass Bündnis 90/Die Grünen eine sozialliberale Partei sind, dem ist nicht mehr zu helfen. Leider ist die Basis noch stärker im konservativ bürgerlichen Lager verankert, als dem links denkenden Grünen lieb sein kann. Eine FDP-light mit EU-Biosiegel. Im Bürgertum wird die Angst vor einem rot-grünen Machtwechsel wohl geringer geworden sein, sind doch außer dem Ehegatten-Splitting für eingetragene Partnerschaften nicht viele wirkliche Veränderungen von dieser Opposition zu erwarten. MARKUS MEISTER, Kassel