: Wahl im 2. Anlauf
Ukrainisches Parlament wählt jetzt doch Juri Jechanurow zum Premier. Abgeordneter: Druck nach erstem Votum
BERLIN taz ■ Die Zitterpartie für den ukrainischen Präsidenten Wiktor Juschtschenko ist gestern zu Ende gegangen: Das Parlament wählte seinen Wunschkandidaten Juri Jechanurow zum Ministerpräsidenten. Der Gouverneur der Region Dnjepropetrowsk erhielt 289 von 450 möglichen Stimmen. Zwei Tage zuvor war Jechanurow noch knapp an der notwendigen Mehrheit von 226 Stimmen gescheitert. Bereits in der nächsten Woche werde er weitere Details zur künftigen Regierung bekannt geben, sagte Jechanurow in einer ersten Stellungnahme. „Das wird ein deutliches Signal an die Geschäftswelt und an unsere Partner im Ausland sein.“
Am Mittwoch hatte Juschtschenko die Spitzen der Parlamentsparteien noch einmal kräftig bearbeitet. Offensichtlich mit Erfolg: gestern stimmten auch 50 Abgeordnete der „Partei der Regionen der Ukraine“ von Juschtschenkos Kontrahenten bei den Präsidentenwahlen Wiktor Janukowitsch sowie sieben Abgeordnete der Blocks der vor zwei Wochen geschassten Premierministerin Julia Timoschenko für Jechanurow.
Timoschenko selbst hatte ebenfalls am Mittwoch noch einmal einen Vorstoß gemacht. „Ich schlage Wiktor Juschtschenko vor, unsere Kräfte zu vereinen, unsere Strategien zu verbinden und zusammen eine Regierung zu bilden. Das muss eine starke Regierung sein, eine wirkliche Koalitionsregierung“, sagte sie.
Es lässt sich nur spekulieren, was den Sinneswandel bei den Abgeordneten auslöste. Zu denken gibt jedoch die Aussage von Igor Plochoi, Abgeordneter des Timoschenko-Blocks. Er sei nach der ersten Abstimmung massiv unter Druck gesetzt worden, sagte Plochoi. Der Staatsanwalt aus Dnepropetrowsk habe ihn angerufen und gesagt: „Du hast gestern einen Fehler gemacht. Morgen ist die nächste Abstimmung. Es wäre besser, wenn du noch mal nachdenkst.“
Plochoi beklagte: „Selbst unter dem verbrecherischen Kutschma-Regime gab es nicht einen derartigen Zynismus und nicht solche Beziehungen zu den Abgeordneten“.
Wenngleich die Wahl Jechanurows Juschtschenko etwas entlasten dürfte, droht bereits das nächste Ungemach. So behauptete der frühere Staatschef Leonid Krawtschuk unlängst, der russische Oligarch Boris Beresowski habe zu großen Teilen den Präsidentenwahlkampf von Wiktor Juschtschenko finanziert. Da ukrainische Gesetze eine auswärtige Finanzierung verbieten, wird sich jetzt das Parlament mit den Vorwürfen befassen.
Beresowski selbst ließ gestern wissen, dass er die Untersuchung nach allen Kräften unterstützen und alle dafür notwendigen Dokumente zur Verfügung stellen werde. Schließlich versuche die Ukraine ja jetzt, eine offene Gesellschaft aufzubauen.
BARBARA OERTEL
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