: Hohe Haftstrafen für Islamisten gefordert
Bundesanwaltschaft hält Terrorpläne der deutschen Al-Tawhid-Zelle für „in vollem Umfang bestätigt“. Jüdische Einrichtungen in Berlin und Düsseldorf sollten getroffen werden. 60 Zeugen an 130 Verhandlungstagen angehört. Kronzeuge umstritten
AUS KÖLN PASCAL BEUCKER
Im Düsseldorfer Al-Tawhid-Prozess hält die Bundesanwaltschaft die Vorwürfe gegen die vier Angeklagten für „in vollem Umfang bestätigt“. Es sei nur noch eine Frage der Zeit gewesen, wann den hauptbeschuldigten drei Palästinensern die notwendigen Sprengstoffe und Waffen zur Verfügung gestanden hätten, um Anschläge auf jüdische Einrichtungen in der Bundesrepublik zu verüben, sagte Oberstaatsanwalt Christian Monka in seinem gestrigen Plädoyer vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts.
Monka beantragte für die drei Männer im Alter von 32 bis 41 Jahren Haftstrafen zwischen sieben und acht Jahren wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Der vierte Angeklagte – ein vorbestrafter Algerier, der für die Gruppe Schusswaffen und Handgranaten besorgen sollte – soll sieben Jahre hinter Gitter.
Mit Mohamed Abu D., Ismail Abdallah Sbaitan S. und Aschraf Mohammad Al D. säßen „drei der wichtigsten Protagonisten“ eines deutschen Ablegers der islamistischen Al-Tawhid-Bewegung auf der Anklagebank im Düsseldorfer Hochsicherheitstrakt, zeigte sich Monka überzeugt. Bei ihnen handele es sich um den „harten Kern“ einer Gruppe, die alles darangesetzt habe, den Willen des weltweit gesuchten Top-Terroristen Abu Mussab al-Sarkawi umzusetzen. Sarkawi gilt als operativer Führer von al-Tawhid. Deren mutmaßliche deutsche Zelle, der die Sicherheitsbehörden nach Telefonüberwachungen auf die Spur gekommen waren, soll sich spätestens im August 2001 als terroristische Vereinigung formiert haben. Operativer Kopf der Zelle sei Mohamed Abu D. gewesen. Er sei eine „charismatische Persönlichkeit“ und streng religiös. Der jordanische Staatsbürger hatte erst am vergangenen Dienstag beteuert, er habe „zu keinem Zeitpunkt“ solche Attentate geplant und habe auch „keine Kenntnis“ über Anschlagsvorbereitungen anderer Personen.
Dass es nicht zu einem „spektakulären Verbrechen mit einer Vielzahl von Opfern gekommen ist“, sei nur dem schnellen Zugriff der Polizei zu verdanken, führte demgegenüber Monka aus. Denn die Pläne der drei Hauptangeklagten seien bei ihrer Festnahme im April 2002 bereits „über ein ungewisses Stadium hinaus“ gewesen. Sie seien jederzeit bereit gewesen, „leicht machbare Ziele“ anzugreifen. Geplant gewesen sein soll demnach ein Sprengstoffattentat in der Nähe des Jüdischen Gemeindezentrums an der Berliner Fasanenstraße. Außerdem hätten die Beschuldigten Handgranaten in zwei Düsseldorfer Gaststätten zünden wollen, die vermeintlich von jüdischen Eigentümern geführt oder vornehmlich von jüdischen Gästen besucht werden. Dass es nicht zu diesen Anschlägen gekommen sei, habe die Beweisführung zwar „schwierig, aber nicht unmöglich“ gemacht, räumte Monka ein.
Dem vierten Angeklagten Djamel M. warf der Vertreter der Bundesanwaltschaft vor, er habe der mutmaßlichen Al-Tawhid-Zelle als Helfer gedient. Der Algerier hatte bereits zu Beginn des Prozesses gestanden, Waffen beschafft und Ausweispapiere gefälscht zu haben. Er habe jedoch weder von Attentatsplänen noch davon gewusst, dass seine Auftraggeber etwas mit der islamistischen Terrorzelle al-Tawhid zu tun gehabt hätten, erklärte M. vor Gericht.
Seit dem Verhandlungsauftakt hörte der Staatsschutzsenat unter dem Vorsitzenden Richter Ottmar Breidling, der auch bereits den „Kalifen von Köln“ Metin Kaplan verurteilt hatte, an 130 Verhandlungstagen insgesamt 60 Zeugen. Alleine die Vernehmung von Shadi Abdallah, des „Kronzeugen“ der Anklage, dauerte knapp acht Monate und 54 Prozesstage. Der ebenfalls im April 2002 verhaftete Jordanier palästinensischer Herkunft war in einem ersten Prozess im Herbst 2003 zu der vergleichsweise milden Strafe von vier Jahren Gefängnis verurteilt worden, nachdem er ausführlich aus dem „Innenleben“ der Al-Tawhid-Bewegung und deren mutmaßlicher deutscher Zelle ausgesagt hatte. November vergangenen Jahres vorzeitig aus der Haft entlassen, lebt der 28-jährige Abdallah, der nach eigenen Angaben auch zwei Wochen lang Leibwächter von Al-Qaida-Chef Ussama Bin Laden war, mit neuer Identität in einem Zeugenschutzprogramm und trat nur im Gerichtssaal unter seinem wahren Namen auf. Seine Glaubwürdigkeit ist umstritten.
Die Plädoyers der Verteidigung sollen in der kommenden Woche beginnen. Mit dem Urteil wird in der zweiten Oktoberhälfte gerechnet.