: Das Interview
Joschka Fischer schlendert Mittwochmittag entspannt über den Berliner Gendarmenmarkt. „Haben Sie Zeit?“, fragt er die taz-Reporter, die mit ihm zum Interview verabredet sind. Fischer wartet die Antwort gar nicht erst ab. „Ich habe viel Zeit“, sagt er. „Jetzt essen wir erst mal was.“ Er hat dafür das Restaurant Refugium ausgesucht, also einen Zufluchtsort. Dabei muss Fischer gar nicht mehr fliehen. Der grüne Außenminister, seit 20 Jahren im Dauerstress der Hochdruckpolitik, hat seine Partei und sich selbst freigegeben. Am Dienstagnachmittag überraschte er alle, wieder einmal, und kündigte in der Fraktionssitzung der Grünen seinen Rückzug aus der Politik an. Sein Lebensprojekt – Rot-Grün – existiert nicht mehr, jetzt überlässt er die Partei der nächsten Generation. Sollen die mal machen! Das erste Interview nach diesem spektakulären Schritt gibt er der taz – der Zeitung, die den Grünen seit Jahren in einer Art Hassliebe verbunden ist. Fischer behauptet, die taz habe sich im Wahlkampf den Grünen gegenüber nicht ganz fair verhalten, aber es sei im Bereich der erlaubten Kritik geblieben. Jetzt also doch ein Interview. Es wird, so sagt er selbst, sein letztes für lange, lange Zeit sein. Vielleicht ändert er seine Meinung auch wieder. Wer Fischer kennt, weiß, dass er sich immer gewandelt hat, und möglicherweise wird auch der jetzige Schritt nicht den endgültigen Abschied des Politikers Joschka Fischer bedeuten. Aber einstweilen gibt er sich milde und ungewohnt charmant. Er macht nicht mehr die wegwerfende Handbewegung, wenn die Journalisten, die in seinen Augen nichts von Politik verstehen, irgendeinen Schwachsinn erzählen, er ruft nicht mehr laut „Pah!“, er schüttelt nur noch weise den Kopf – und lächelt. „Fischer ist Geschichte“, hatte die taz am 24. Mai 2005 getitelt, zwei Tage nachdem der Kanzler mit seiner Ankündigung von Neuwahlen das rot-grüne Projekt beendet hatte. Fischer fand die Schlagzeile daneben. Jetzt erzählt er, er habe im Wahlkampf wohl bewiesen, dass er sehr wohl noch lebe. Aber mit seinem Rückzug ist er es doch – Geschichte. taz