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: Wo es so richtig veronafeldbuschartig gackert, quakt und quiekt: Susanne Fröhlichs „Roman“ „Familienpackung“

In dem Film „Besser geht‘s nicht“ spielt Jack Nicholson den Erfolgsautor Melvin Udall, Spezialist für Dreigroschenromane. Als dieser einmal das Verlagsgebäude verlässt, fragt ihn die Sekretärin, sich mit der Hand ans Hirn klopfend: „Wie können Sie nur so gut wissen, wie es hier drin aussieht?“ Udall antwortet lapidar: „Ganz einfach: Ich stelle mir einen Mann vor und subtrahiere Verstand und Zurechnungsfähigkeit.“

So wie Udall geht auch Susanne Fröhlich vor, wenn sie Frauenromane schreibt. Sie stellt sich eine normale Hausfrau vor, bevor sie Verstand und Zurechnungsfähigkeit subtrahiert. Fröhlichs neuer Roman „Familienpackung“ handelt wie seine beiden Vorgänger „Frisch gepreßt“ und „Frisch gemacht“ von der Hausfrau und Mutter Andrea Schnidt. Diese lebt mit Mann und zwei Kindern in einem Reihenhaus in einem Frankfurter Vorort. Ihren Job als Redaktionsassistentin beim Fernsehen hat sie für die Kinder an den Nagel gehängt. Ihre Möbel kauft sie bei Ikea, brav geht sie auf alle Elternabende. Und abends beugt sich ihr karrieregeiler Mann lieber über seine Akten als über seine Frau.

Doch „Familienpackung“ ist keine herkömmliche Hausfrauen-Schmonzette. Denn Andrea Schnidt will sich am eigenen Schopf aus dem durchschnittsverseuchten „Reihenhaussumpf“ ziehen, hemmungslos fordert sie „mehr Spannung, mehr Sex, mehr Anerkennung, schlankere Schenkel“. Zumindest mit Sex und Spannung klappt es: Das Ende des Elternabends kann sie kaum erwarten, denn zu Hause wartet der „rosa Rammler“ auf sie, wie sie ihren neuen Vibrator liebevoll-alliterativ umschreibt. Und als sie beim Schwarzfahren in der S-Bahn nicht nur erwischt, sondern auch noch von RTL gefilmt wird, weiß am nächsten Tag der ganze Ort Bescheid.

Diese absurden Anekdoten folgen keiner erkennbaren Dramaturgie. Fröhlich schreibt Susanne drauf los und gewährt dem Leser via Ich-Perspektive einen tiefen Einblick in hysterische Hausfrauenhirne. Gleich auf Seite 8 darf man Frau Schnidts begleitende Gedanken zum Besuch des Stromabzählers Herrn Barts erfahren: „Er riecht gut. Strotzt nur so vor Testosteron. Was würde ich tun, wenn er mich von hinten an meine empfindsamen Körperteile fassen würde?“

Fröhlichs poetischer Einfallsreichtum beschränkt sich auf Dreifach-Komposita wie „Schnarchunterdrückungselement“, „Oberlippenbarthuberta“ und „Kassenschlangenposition“. Ihre Bildsprache entlehnt sie vornehmlich der Werbung. Da hat ihre Zimmergenossin im Krankenhaus Locken „wie die Frau aus der L’Oréal-Werbung“, eine andere „dunkles, dichtes Haar und Wimpern wie aus der Mascara-Reklame“.

„Familienpackung“ ist Hera Lind auf Ecstasy. Auf 250 Seiten gackert, quakt und quiekt es so veronafeldbuschartig, dass man unweigerlich zur Kopfwehtablette greift. Wie, fragt man sich, konnte dieses Buch auf Platz 3 der Bestsellerlisten klettern? Die Antwort ist einfach. Susanne Fröhlich nimmt alle Hausfrauenklischees genüsslich auseinander. Man darf auch mal mit anderen Männern als dem eigenen ins Bett wollen und auch mal seine Kinder nervig finden. Man darf, wie Andrea Schnidt, Nähen doof finden und Kochen auch. Man darf alles wollen und davon nur die Hälfte erreichen. Das entlastet und beruhigt alle Mütter, die die gesellschaftlichen Superweib-Vorgaben schon lange nicht mehr erfüllen können.

Doch Fröhlich suhlt sich nur im Schlammbad überkommener Klischees. Ihr „Roman“ hat nicht die Kraft, diese Klischees zu hinterfragen oder gar zu durchbrechen. Letztendlich ist das Leben ja ganz okay, auch wenn man finanziell von seinem Mann abhängt, sexuell frustriert ist und die Kinder am liebsten bei eBay versteigern würde. Das Leben Andrea Schnidts soll sich gar nicht grundlegend ändern. Schließlich müssen der „Familienpackung“ weitere lukrative Fortsetzungen folgen. MARTIN SCHNEIDER

Susanne Fröhlich: „Familienpackung“. Krüger Verlag, Frankfurt am Main, 250 Seiten, 16,90 Euro