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Archiv-Artikel

Ausgangssperre für die Ökohühner

Die ersten Opfer der Vogelgrippe: Seit einer Woche darf das Federvieh nicht mehr aus dem Stall

AUS KRANENBURG STEPHAN SADOWSKI

Vergeblich sucht Godehard Schnitgen die Eier im Baum hinter dem Bauernhof. „Normalerweise sind da mindestens drei drin“, sagt der 51-jährige Diplom-Agraringenieur aus Kranenburg. Doch seit einer Woche laufen seine Hühner nicht mehr frei herum. Der Grund ist die vom Landwirtschaftsministerium NRW und Minister Eckhard Uhlenberg (CDU) herausgegebene Geflügelverordnung. Landesweit soll Geflügel bis Ende November des Jahres nur noch in geschlossenen Räumen gehalten werden, um die Tiere vor einer Infektion mit der Vogelgrippe zu schützen. Der Virus, so wird vermutet, könnte über den Vogelzug der arktischen Wildgänse aus Sibirien bis an den Niederrhein gelangen. Kranenburg – Hauptwinterquartier der nordischen Wildvögel – gilt als besonders gefährdet.

Doch Bauer Schnitgen glaubt nicht an die Gefahren: „Die Gänse mit Vogelgrippe kamen aus dem Ural – und die sind daran sofort verendet und konnten gar nicht mehr bis nach Deutschland fliegen.“ Die Wildgänse am Niederrhein stammten jedoch nachweislich aus Sibirien oder Finnland, also nicht aus den von Vogelgrippe betroffenen Regionen Russlands.

Kurz nach 10 Uhr, lautes Gackern im Hühnerstall – erste Unmutsäußerungen seiner Tiere. „Normalerweise gehen die jetzt raus, die merken, dass etwas nicht stimmt“, sagt Schnitgen.

Der Bio-Bauer aus Kranenburg hält auf der Hofgemeinschaft „Richters Gut“ 1.200 Tiere in den Parzellen. Und die machen ganz schön Krach. „Wir rechnen damit, dass wir die jetzt viel mehr beschäftigen müssen“, sagt er. Um die Gefahr eines so genannten ‚crowding-effects‘ zu vermeiden. „Die Tiere könnten auf dem engen Raum aggressiv werden,“ befürchtet Schnitgen, der auch einen erhöhten Reinigungsaufwand in seinem Stall erwartet.

Eine weitere Belastung sind steigende Kosten: Seine Hühner können jetzt nicht mehr das Wiesengras als natürliches Futter abgrasen. Godehard Schnitgen muss nun Futtermöhren dazu kaufen, damit die Tiere genug Vitamine zu sich nehmen. Über den Zeitraum von zehn Wochen seien das mindestens 200 Euro, sagt der Biobauer.

Natürlich ist das Gebiet um die Düffel in Kranenburg ab Oktober randvoll mit Gänsen als Wintergästen. Auch auf seinem Hühner-Freiluftgehege lassen die sich jedes Jahr hundertfach nieder. Aber Schnitgen wiegelt ab: „Die arktischen Gänse sind so scheu, die würden niemals in die Nähe meiner Hühner kommen.“ Was eine Infektion mit der Vogelgrippe unmöglich mache, da das Virus nur durch direkten Kontakt übertragbar sei. Trotzdem – nach Eiern wird er in seinem Baum bis auf weiteres vergeblich suchen.