Wortwechsel
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Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von LeserInnenbriefen vor.

Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der taz wieder.

Der Keim der Gewalt

Globus Dei Sanft und ganzheitlich sei die Welt? Gott und Globuli, Kirchentag und Homöopathie. Aber wie nennen wir die „wahren“ Terroristen?

Immun gegen den Keim der Gewalt? Foto: dpa

Kleine Dosis Gott

betr.: „Auf die Liebe kommt es an“, taz vom 24. 5. 17

Sehr richtig: „Der Gewaltkeim ist jeder Religion eingeschrieben.“ Aber das, obwohl die Liebe den „wirklichen Kern“ aller Religionen ausmacht? Vielleicht müssen unsere gläubigen Mitmenschen doch noch etwas nachhaltiger von der Religionskritik und den religionsfrei lebenden Menschen dieser Welt lernen. Die Überhöhung eines alles beherrschenden Gottes wird durch die kindliche Selbstunterwerfung erwachsener Menschen ins Werk gesetzt. Es ist diese inbrünstige, vor-demokratische Zweifelsfreiheit, die übergroße Liebe in enthemmten Hass umschlagen lässt, sobald Religionen in ihre kriegsträchtigen Vereinskonkurrenzen geraten. Religion ist für das Zusammenleben einander fremder Menschen auf diesem Planeten nur in gründlich ausgenüchterter Form verträglich. Liebe Glaubensjunkies: Kleine Dosen müssen reichen!

STEFAN HIRSCHAUER, Mainz

Schön gefährlich

betr.: „Auf die Liebe kommt es an“, taz vom 24. 5. 17

„Religionen bringen das Beste in uns hervor und das Schrecklichste, alle Liebe und allen Hass. Religionen sind schön und gefährlich.“ Einfach eine tolle Zusammenfassung! Der geballte Hass wurde in der Geschichte schon oft genutzt, um Macht aufzubauen, das ist uns inzwischen klar geworden. Aber auch „alle Liebe“? Für Menschen, die bi-polar denken, die strenge Cluster benötigen, scheint die „reine“ Liebe nur im Abstrakten möglich. Aber Menschen haben Fehler! Das ist das absolute Ausschlusskriterium für Menschen, die Fehler nicht lieben können. Sie haben recht, Philipp Gessler: „Es kommt darauf an, diesen Gewaltkeim ein zu hegen (in Zaum zu halten) und die Liebesbotschaft zu betonen, die den wirklichen Kern aller Religionen ausmacht. Liebe ist in jeder Religion eingeschrieben.“

NORBERT VOSS, Berlin

Wohlfühl-Folklore

betr.: „Auf die Liebe kommt es an“, taz vom 24. 5. 17

Liebe Tante taz, erstaunt sehe ich vier Sonderseiten zum Kirchentag. Echt: Will das jemand lesen? Ich bin ja nun kein gläubiger Mensch. Nirgends jedoch wird auf diesen vier Sonderseiten ernsthaft über die Kernbotschaft des Christentums und deren Konsequenzen gesprochen, nämlich:

‚Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan! Wenn dir einer auf die eine Wange schlägt, so halte ihm auch die andere hin! Folget mir nach!‘ Statt dessen wird das Ganze als eine Art Wohlfühl-Folklore verkauft. Das will ich in der taz nicht lesen.

ROLAND BENZ, Frankfurt

Gott ist alles

betr.: „Auf die Liebe kommt es an“, taz vom 24. 5. 17

Danke für diesen Kommentar! Ich möchte hinzufügen: Nicht nur auf die Liebe kommt es an, sondern darauf, unsere Schatten zu integrieren und nicht nach außen zu verlagern als Reiche des Bösen oder als bedrohliche Fremde. Wenn Religion Hass produziert, dann meistens, wenn alles Dunkle abgespalten und als Feind von außen bekämpft wird. Als Theologin lerne ich seit langen Jahren: Es lohnt sich, über die dunklen Seiten Gottes nachzudenken, denn wenn es einen Gott gibt, kennt er als Urgrund allen Seins immer beides: jedes Licht und jeden Schatten. Die Verkündigung eines siegreichen Gottes, der das Böse besiegt und die Schatten verscheucht, ist der Anfang jeder Diktatur. Die alten Schriften der Bibel haben in erfreulicher Widersprüchlichkeit beides aufgenommen. In ihnen ist Gott alles: eifersüchtig, zerstörerisch, gnadenvoll, barmherzig. Vor allem aber ist er eins: vvollkommene Liebe. Eine Liebe, die jeden Abgrund in sich selber trägt.

HILDEGARD MEIER, Köln

Gut versteuert

betr.: „Auf die Liebe kommt es an“, taz vom 24. 5. 17

Sehr geehrter Herr Gessler, mich irritiert eine Formulierung im letzten Abschnitt: „simplifizierende Atheisten“. Kennen Atheisten keine Liebe, auch wenn sie auf einen Gott verzichten und zum Beispiel das Wort „Nächstenliebe“ vermeiden, eher „Solidarität“ sagen? Was genau vereinfachen die Leute, wo und wann, die Sie als „Atheisten“ bezeichnen? Dem evangelischen Kirchentag wünsche ich lebhafte Diskussionen, gute Stimmung, ein friedliches Miteinander – ich habe ihn mit meinen Steuern mit finanziert, obwohl ich keiner Kirche angehöre. Gottlose Grüße.

MARLIES BEITZ, Stuttgart

Der ganze Mensch

betr.: „Das Geschäft mit dem ‚Öko-Trend‘“, taz vom 15. 5. 17

Der Artikel hat mich erschreckt! Warum wird einfach immer die klassische Homöopathie so negativ in der taz dargestellt. Und immer taucht diese Frau Grams auf. Mir hilft es, ich bin nicht häufiger krank. Als selbstständig Tätige kann ich mir das nicht erlauben und reich bin ich auch nicht. Ich bin froh, dass Krankenkassen die Kosten endlich übernehmen, denn ich habe sie vorher selbst getragen! Warum schreiben Sie nicht mal einen Artikel darüber, warum viele PatientInnen homöopathische Behandlungen wünschen? Weil sie tiefer gehen und den gesamten Menschen einbeziehen, und das fehlt in der Schulmedizin. Und ständig diese Neid-Debatten! IRIS WALLERATH, Köln

Nicht stofflich

betr.: „Das Geschäft mit dem ‚Öko-Trend‘“, taz vom 15. 5. 17

Ich kann mich dem Leserbrief von Michael Parys nur anschließen: Es verwundert doch sehr, dass die Homöopathie immer wieder in die Nähe von Hokuspokus und Zauberei gestellt wird, nur weil es noch keine detaillierte Erklärung der Wirkungsweise gibt. Sie wirkt nicht stofflich, sondern über „Information“. Das passt aber bei vielen Menschen offenbar nicht ins Weltbild, dass ein nicht stofflicher Vorgang die Selbstheilungskräfte mobilisieren kann.

Dass elektromagnetische Wellen auch nicht stofflich übertragen werden, sollte jedem Handybenutzer klar sein. Vor der Entdeckung der elektromagnetischen Wellen im Jahre 1868 konnte man es sich auch nicht vorstellen, dass es möglich sein wird, sich mit tausende von Kilometern weit entfernten Menschen unterhalten zu können. Die Erfahrungen mit Homöopathie in unserer Familie sind überaus gut. Fast alle Erkrankungen unserer vier Kinder haben wir in den letzten fünfzehn Jahren sehr gut mit homöopathischer Behandlung in den Griff bekommen.

In Ihrem Artikel hätte ich mir etwas mehr Bemühen gewünscht, dem Wesen der Homöopathie gerecht zu werden: Da die homöopathische Behandlung sehr individuell auf den Patienten und die Begleitumstände der Erkrankung eingeht, sind wissenschaftliche Studien hier naturgemäß schwieriger durchzuführen.

Dass es noch keine wissenschaftlichen Studien zur Wirksamkeit von Homöopathie gibt, ist aber schlicht Unsinn.

Natürlich benötigt der Arzt in der Homöopathie mehr Zeit und damit Geld. In vielen Fällen kann die Homöopathie aber auch chronische Krankheiten lindern und somit langfristig Kosten sparen. Wie bei allen Studien ist die exakte Fragestellung (und der Auftraggeber) wichtig, um das Ergebnis einordnen zu können.

THOMAS BERNARD, Karlsruhe