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Archiv-Artikel

Senat schickt Polizei nach Hause

Hamburgs Polizeibeamte müssen seit Februar verstärkt Hausbesuche machen: Anlass für die Elterngespräche sei eine Zunahme von „gewaltgeneigten“ Jugendliche bei „unfriedlichen“ Versammlungen, erklärt das Rathaus

An den Besuch kann sich Frank Meyer (Name geändert) gut erinnern, auch weil die zwei Polizeibeamten unangemeldet vorbeigekommen waren. Vor mehreren Monaten gegen 18 Uhr klingelten sie an der Wohnungstür, um mit ihm über seine Tochter zu sprechen: Diese drohe ins „linkskriminelle Milieu“ abzurutschen, so die Hamburger Beamten. Anlass der polizeilichen Sorge waren Platzverweise, die der Tochter am Rande antifaschistischer Demonstrationen in der Hansestadt erteilt worden waren.

Wie jetzt der Vater hatten sich auch mehrere Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren im August an die taz gewandt, nachdem die Polizei wegen Platzverweisen ihre Eltern aufgesucht hatte. Die rot-grüne Opposition bohrte daraufhin im Rathaus nach und fragte nach der Legitimation der Beamtenbesuche. Der CDU-Senat aber weicht aus.

In ihrer jetzt ergangenen Antwort auf eine kleine Anfrage der GAL-Abgeordneten Antje Möller erklärt die CDU-Regierung nur, auf welcher rechtlichen Grundlage Platzverweise erfolgen würden. Die Hausbesuche selbst werden gar nicht bestätigt. So beantwortet der Senat auch Möllers Frage nicht, nach welchen Kriterien die Elterngespräche erfolgten.

In seiner Antwort auf die kleine Anfrage der SPD-Abgeordneten Luisa Fiedler räumt der Senat indes die Polizistenbesuche ein. Seit vergangenem Februar gehen demnach Beamte der Jugendschutzdienststellen der Zentraldirektion auf Erziehungsberechtigte zu, weil eine „Zunahme von gewaltgeneigten minderjährigen Teilnehmern“ bei „unfriedlichen Versammlungen“ zu beobachteten sei, so der Senat. In Einzelfällen würden „Kurse zur gewaltfreien Konfliktberatung“ nahe gelegt. Ob die Empfehlung erfolge, richte sich nach dem „zugrunde liegenden Sachverhalt“ und dem „Gesprächsverlauf“. Der Polizeibesuch begründe sich aber nicht „alleine aus einer Personalienfeststellung“, heißt es.

„Die Frau und der Mann nahmen sich richtig Zeit“, berichtet Familienvater Meyer über den zurückliegenden Polizeibesuch. Fast zwei Stunden hätten der Beamte und seine Kollegin ihm „ins Gewissen reden“ wollen. Bewege sich die Tochter doch „schon länger in der Szene“, wie die beiden gesagt hätten.

Als es um angebliche Gefahren für den weiteren Lebensweg seines Kindes gegangen sei, habe der Polizist gewarnt: „Mitgefangen, mitgehangen“, während seine Kollegin auf pädagogische Interventionsmöglichkeiten verwiesen habe. „Ein Antigewalttraining wie bei anderen Betroffenen schlugen sie aber nicht vor“, sagt Meyer.

Auf seine kritische Anmerkung, dass bei Demos auch die Polizei mit ihrem Verhalten die Situationen verschärfen könne, seien die Beamten nicht eingegangen. Auch auf seine Frage, warum sie konkret zu ihm gekommen seien, habe er keine Antwort erhalten. „Meine Tochter hat nur demonstriert und keine Straftat verübt“, kritisiert Meyer die Maßnahme wegen Platzverweises. Andreas Speit