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Archiv-Artikel

„Kein Testament gemacht“

Der stellvertretende Revierleiter Dieter Krieg aus der Vahr reist als „Demokratiehelfer“ nach Afghanistan – und tritt dabei durchaus in bremische Fußspuren. Vor 30 Jahren beriet schon Ex-Polizeipräsident Diekmann das Kabuler Ministerium

Von ede

bremen taz ■ Als Polizist Aufbauarbeit in Kriegsgebieten zu leisten, das ist Dieter Krieg nicht ganz neu. Vor Jahren schon war er auf dem Balkan im Einsatz – jetzt ist der stellvertretende Chef des Polizeireviers Vahr in Afghanistan. Schon seit dem 11. September 2001 hat er sich innerlich mit einer solchen Mission befasst, die jetzt heißt: Die Polizeiausbildung in Afghanistan aufbauen. Genauer: Krieg soll die Leitung der Polizeiakademie in Kabul beraten. Drei Wochen wurde er auf den Auslandseinsatz vorbereitet, eine Woche davon speziell auf die Bedingungen in Afghanistan.

Die Habe des 50-jährigen Bremers ist seither auf zwei Kisten, zwei Seesäcke und acht Kilo Handgepäck zusammengeschnurrt. „Viel grüne Montur, Stiefel, Schlafsack, Isomatte, warme Wäsche“, klingt es ernst und nach Winter und so, als wollte er durchaus aus der gesicherten Gemeinschaftsunterkunft in Kabul aufbrechen und mehr sehen von Land und Leuten.

Das hat ihm der frühere Bremer Polizeipräsident Ernst Diekmann wärmstens empfohlen, der wohl als erster Bremer schon 1970 für die Polizei in Afghanistan war. Damals noch als bremischer Polizeidirektor reiste er im Auftrag des Innenministers und in Zusammenarbeit mit dem damaligen Entwicklungshilfeministerium Erhard Epplers ins monarchistische Afghanistan – und verließ es 1973 nach dem Putsch und der Flucht von König Zahir Schah. Es folgten Umstürze rivalisierender politischer und lokaler Machthaber, die das Land zerissen, bis 1979 erst die Sowjets, später die Mullahs und die Nordallianz die Macht eroberten. Nach der Intervention der USA haben sich heute internationale Einsatzgruppen und jede Menge Personal für den Demokratieaufbau angesiedelt. Dazu soll nun auch Krieg gehören. Ihm hat Diekmann empfohlen: „Sprich mit den Menschen, lerne ihre Sprache.“

Dass das schwierig wird, weiß Diekmann – der vor 30 Jahren im Auftrag des Deutschen Innenministeriums die Polizeiakademie in Kabul und andere Strukturen mit aufbauen half. Ähnliches soll jetzt Krieg jetzt tun. Als Berater der Polizeiakademie in Kabul wird er Fahrtrainings organisieren, über Minengefahren aufklären undundund. „Man muss manches auch abwarten“, sagt er. Manche seiner Kollegen haben für Polizisten im einfachen Dienst Kurse in Lesen und Schreiben eingeführt. „Irgendwo muss man anfangen“, sagt Krieg entschlossen – und zugleich vorsichtig.

Afghanistan? „Das stellt man sich hier in Deutschland gar nicht richtig vor“, ist unterdessen Diekmann überzeugt. 180 Ethnien, drei bis vier Idiome, verschiedenste Religionen, ein Land ungefähr doppelt so groß wie Deutschland, dabei mit einer Straßeninfrastruktur, die zusammengefasst höchstens für Woltmershausen reichen würde.

„Ich weiß nicht, ob man sich ausreichend um die politischen und gesellschaftlichen Strukturen kümmert“, sagt Diekmann. Und dass einjährige Einsätze zu kurz seien – zumal wenn viel vom klimatisierten Jeep aus erledigt wird, mit Schwerpunkt in Kabul. Dann rattert Diekmann unzählige fremd klingende Ortsnamen herunter, unbekannte Städte in Afghanistan, wo es noch keine Aufbauhilfe für die Polizei gibt – und man ahnt, dass er Recht hat, wenn er von einer enormen Aufgabe spricht.

Entmutigen lassen würde Krieg sich von den Dimensionen dennoch nicht. In jedem Fall sieht er sich als Vermittler. „Interkulturelle Kompetenz bringt man mit zurück. Die kann man auf jedem Revier gebrauchen“ – am Beispiel erklären, wie andere anders sind und warum, oder wie Islamismus entstehen kann.

Eine große Aufgabe, die irgendwie sicher auch im Kleinen reflektiert wird. In der Waffenliebe des neunjährigen Sohnes vielleicht, der möglicherweise verstehen wird, dass Waffen eben kein Spielzeug sind. Und dass die Begeisterung dafür gefährlich sein kann. So weit ein Neunjähriger das eben versteht. Krieg ist sicher, dass er heil zurück kommt. „Ein Testament habe ich nicht gemacht.“ ede