: Der Jäger magischer Tore
ZLATAN IBRAHIMOVIC
Mittwochabend Viertel nach zehn: Die Geschichte des schwedischen Fußballs muss umgeschrieben werden. Zlatan Ibrahimovic schießt seine Nationalmannschaft mit einem Fallrückzieher aus fast 30 Metern Entfernung zum 4:2 gegen England. Was für Bild das „geilste Tor des Jahrzehnts“ ist, wurde in schwedischen Medien gleich zum „besten der Geschichte“ gekürt. Das bislang „beste der Geschichte“ stammte auch schon von „Zlatan“, wie er in Schweden nur heißt: Ein kunstvoller Hackenkick gegen Italien, mit dem er 2004 die blau-gelbe Elf in die nächste Runde der EM geschossen hatte.
„Nicht schlecht“, bewertete Zlatan selbst sein „Goal from the Gods“ (Daily Mail) und seine übrigen drei Tore vom Mittwochabend: „Aber so was mach ich doch öfters.“
An Selbstvertrauen fehlt es dem derzeit einzigen Star der schwedischen Nationalmannschaft nicht. Aber auch nicht daran, arrogant, exzentrisch, schnell aufbrausend zu sein. Die Liste von Trainern und Mitspielern, mit denen er sich von Amsterdam bis Turin, von Barcelona bis Mailand überworfen hat, ist lang. Auch die seiner roten Karten. Die letzte sah er erst vor zwei Wochen bei seinem neuen Klub Paris SG wegen einer regelrechten Kung-Fu-Attacke auf den gegnerischen Torhüter.
Eine Kämpfernatur sei er eben, erklärt Zlatan solche Ausfälle. Und wie er dieser Kämpfer wurde, kann man in seiner vor einem Jahr erschienenen Autobiografie nachlesen.
Ein einsamer 12-Jähriger in Malmös Migrantenvorort Rosengård: Die aus Kroatien stammende Mutter im Knast, der in Bosnien gebürtige Vater ein Alkoholiker, der ihn regelmäßig verprügelt, eine große Schwester drogenabhängig. Zlatan ständig hungrig, Schulschwänzer, klaut, beginnt Fußball zu spielen. Wird gemobbt, die Eltern anderer Kinder wollen nicht, dass „ein solcher“ mitspielt, einer, der nicht mal richtige Fußballschuhe hat.
„Wäre ich nicht Fußballspieler geworden, dann Krimineller“, sagt der 31-Jährige, der mit seiner Frau Helena zwei Söhne hat, heute rückblickend. Doch Zlatan spielt zu gut, übt wochenlang verbissen Tricks, bis sie sitzen. Zu seiner Beweglichkeit hilft ihm ein Taekwondo-Training und er entwickelt das, was Experten ein „visionäres Spielverständnis“ nennen. Am Montag war ihm zum siebten Mal in Folge der „Goldball“ als Schwedens bestem Fußballspieler verliehen worden. REINHARD WOLFF