WENIGER ELLENBOGEN

VON MICHÈLE MORNER Die Quote allein reicht nicht. Auch die Unternehmenskultur muss sich ändern

Zuweilen scheint es so, als hätte die Diskussion um die Frauenquote ihr Ziel aus den Augen verloren. Dieses liegt ja nicht in der Quote als solcher, sondern in einer Unternehmensführung, die Frauen in fairer Weise fördert und die unterschiedlichen Denk- und Handlungsweisen gemischter Teams – ihre Diversität – sinnvoll nutzt. Davon sind wir in Deutschland noch weit entfernt. Und das wird auch keine Quote ändern. Grund dafür ist nicht nur der gesellschaftliche Rahmen, der ein Nebeneinander von Kind und Karriere in Deutschland fast unmöglich macht, sondern auch aktuelle Formen der Unternehmensführung.

Dabei ist die Schaffung und Nutzung von Diversität für die langfristige Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen gerade in hoch industrialisierten Ländern wie Deutschland unerlässlich: Nur diejenigen Unternehmen werden langfristig wettbewerbsfähig sein, die in der Lage sind, unterschiedliche Talente nicht nur anzuziehen, sondern deren Austausch zu nutzen und so einzigartiges Wissen und einzigartige Leistungen zu generieren.

Entgegen dem vielfach vermittelten Eindruck mündet aber Diversität nicht automatisch in Kreativität. Voraussetzung ist vielmehr ein Rahmen, der den Austausch der unterschiedlich denkenden Talente zulässt und fördert. Doch dieser Austausch ist ein mühsamer Prozess – und erfordert erstens ein Umfeld, das auch die Meinungen der Andersdenkenden und der Nichtmeinungsführer hört, sowie zweitens eine Kooperationsbereitschaft der Beteiligten, die unter Umständen auch ihre eigenen Interessen hinter dem Gesamtinteresse zurückstellen.

An beidem hapert es heutzutage in Unternehmen. Das hängt mit den aktuellen Formen der Unternehmensführung zusammen. Diese basieren nämlich meist auf ausgefeilten Kennzahlensystemen, die Unternehmensbereiche, Abteilungen und Mitarbeiter an sogenannten Key Performance Indicators bewerten. Diese Form der Steuerung ist zwar unter Umständen leistungssteigernd für den einzelnen Mitarbeiter und für die einzelne Abteilung, aber nicht förderlich für deren Zusammenarbeit im abteilungsübergreifenden Team. Denn Kennzahlen erhöhen das Konkurrenzdenken, indem sie den Fokus auf das Erreichen jeweils eigener Ziele lenken. Die Kollegen halten weniger zusammen und kooperieren nicht so gut im Unternehmen – was für eine Nutzung von Diversität aber unerlässlich wäre.

Die Unternehmen müssen entgegensteuern. Sie könnten zum Beispiel dezentrale Formen der Steuerung etablieren, die weniger auf Kennzahlen und mehr auf Vertrauen, Reputation und gemeinsamen Werten basieren. Dies ist ein mühsamer Prozess, denn ein Klima, in dem übergreifende Ziele des Unternehmens und deren gemeinsames Erreichen im Mittelpunkt stehen, entsteht nur langsam.

Aber genau dieses Klima wäre nötig, damit den vielen talentierten, andersdenkenden Frauen – aber auch Männern! – eine Karriere ermöglicht werden kann. Bisher konnten sich diese Frauen und Männer nicht entfalten, weil sie die allgegenwärtige Konkurrenz, die derzeit in manchen Unternehmen herrscht, lähmt. Die Quote allein kann das nicht. Sie kann zwar eine rein biologische Form der Diversität erzwingen; dass Frauen sich dann auch in Unternehmen wohlfühlen und gefördert werden, ist damit noch lange nicht erreicht.

Michèle Morner, 45, ist Professorin für Führung, Entscheidung und Personal im öffentlichen Sektor an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer. Sie findet, dass zu viel über die Quote geredet und zu wenig für leistungsbereite Frauen getan wird.