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Archiv-Artikel

Hundert Prozent Rückendeckung

Die Union bleibt hart: Große Koalition nur unter Merkel. Dafür versprechen SPD-Politiker Schröder „hundert Prozent Rückendeckung, egal wobei“

AUS BERLIN KLAUS JANSENUND LUKAS WALLRAFF

Die SPD liegt ihrem neuen Gott Gerhard Schröder bedingungslos zu Füßen und unterstützt auf Gedeih und Verderb seinen Anspruch auf die Kanzlerschaft – egal, wohin das führt. Die Union wiederum hält Angela Merkel für eine Versagerin und wartet nur noch auf den richtigen Moment, um die gescheiterte Kandidatin auf den Mond zu schießen.

So sah es vor einer Woche aus – kurz nach der Bundestagswahl, bei der die SPD etwas besser und die Union viel schlechter als erwartet abgeschnitten hatte. Doch zu Beginn der zweiten Nachwahlwoche und nach dem Ende kühner wie aussichtsloser Ampel- und Jamaika-Träume scheinen sich die Parteien wieder auf die Mathematik als Grundlage aller Machtkämpfe zu besinnen. Die Union verweist auf ihren Stimmenvorsprung vor der SPD und leitet daraus ebenso entschlossen wie geschlossen ihren Anspruch ab, die Regierung anzuführen. Die SPD dagegen fragt sich mittlerweile, wie lange man Schröder noch als Kanzler halten kann.

Am Mittwoch steht die nächste Runde im Ringen ums Kanzleramt an. Doch anders als letzte Woche, in der sich Merkel und Schröder bei einem unverbindlichen Treffen auf Augenhöhe begegneten, stellt die Union nun Bedingungen: „Koalitionsverhandlungen der Union mit der SPD werden erst aufgenommen, wenn die SPD die Kanzlerschaft für die Union akzeptiert“, erklärte CDU-Generalsekretär Volker Kauder. Das CDU-Präsidium soll die harte Linie heute mit einem Beschluss unterstreichen.

Schröder muss weg, erst dann kann man übers Sondierungsstadium hinauskommen und über Inhalte reden – so lautet die Marschroute der Union. Gibt es ein Gegenangebot? Die Kanzlerschaft der Union, nicht die von Merkel, wird in Kauders Stellungnahme zur Bedingung gemacht. Später konkretisiert er: Ja, die Kanzlerschaft sei an die Person Merkel geknüpft. Und ein gewisser Christian Wulff assistiert in der BamS: „Es wird keinen Kanzler der Union namens Christian Wulff geben. Ich stehe nicht zur Verfügung.“ Auch Roland Koch versichert Merkel bei jeder Gelegenheit seine Treue. Die Rivalen ziehen sich erst mal demonstrativ zurück. Allenfalls wenn Koalitionsverhandlungen völlig verfahren und Schröder Geschichte sein sollte, könnte Merkel zur Verhandlungsmasse erklärt werden.

Und die SPD? Kein Sozialdemokrat mochte gestern einen Verzicht von Merkel zur Bedingung für weitere Gespräche machen. Stattdessen signalisierten erste Genossen der CDU ein Entgegenkommen. Konjunktur hat die so genannte Israel-Lösung, nach der sich Schröder und Merkel in der Kanzlerschaft ablösen könnten. „Die Lösung, dass beide zwei Jahre regieren sollen, ist in der SPD-Bundestagsfraktion Konsens“, ließ sich Johannes Kahrs, Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises, zitieren. Und der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck äußerte sich zu einer Kanzlerschaft Schröders nebulös: „In einer Demokratie sollte man niemals nie sagen.“

Ist das nun das erste Zucken, das erste Zeichen von Schwäche, auf das im Kanzlerpoker seit einer Woche gewartet wird? Oder signalisiert die SPD nur taktisch Kompromissbereitschaft, um den Eindruck von machtgierigen Sesselklebern zu vermeiden? Noch können sich die meisten Sozialdemokraten nicht vorstellen, dass Schröder freiwillig verzichtet. „Diese ganzen Spekulationen, das kotzt mich langsam an“, sagte Michael Müller, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Sprecher der Parlamentarischen Linken. Nur mit Schröder an der Spitze könne die SPD innerhalb einer großen Koalition auch ihre Inhalte durchsetzen, sagte Müller der taz. „Wir unterstützen ihn ausdrücklich.“

Tatsächlich hält der Kitt des gelungenen Wahlkampfendspurts die SPD-Fraktion noch zusammen. „Hundert Prozent Rückendeckung, egal wobei“, versprach Fraktionsvize Gernot Erler den Verhandlungsführern Schröder und Müntefering. Mehr können die Sozialdemokraten auch nicht tun – denn in die Entscheidungen Schröders sind sie nicht eingebunden. Schlimm sei das nicht, sagte Erler der taz: „So viel Vertrauen ist doch positiv.“

SPD-Basis und -Fraktion können also nur abwarten und zusehen, wie sich Schröder verhält. Gestern zeigte er zwei Gesichter: Das des Sturkopfs und das des kompromissbereiten Elder Statesman. Einerseits teilte Schröder mit: „Ich denke überhaupt nicht daran, mich unter dem Druck von ein paar Provinzpolitikern der CDU zu irgendwelchen Zugeständnissen bringen zu lassen.“ Andererseits wolle er „alles dafür tun“, damit eine große Koalition zustande komme.