: Durch die Quote zum Traumjob
VON ANTONIA RADOS
Zu Beginn der achtziger Jahre, nachdem ich bereits lange als freie Mitarbeiterin beim staatlichen österreichischen Fernsehen, dem ORF, gearbeitet hatte, bekam ich endlich eine Festanstellung als Redakteurin. Ich bildete mir ein, wegen meiner Arbeit. Doch einige Wochen später traf ich in einem Wiener Kaffeehaus einen der Verantwortlichen für die Jobvergabe. Er hätte sich dafür eingesetzt, verkündete er, dass dieser Arbeitsplatz an eine Frau ging, um der Gleichberechtigung willen.
Damals waren im ORF alle Menschen gleich, aber Männer waren gleicher. Lange vor mir hatten sie Dienststellen bekommen, weil sie entweder ihre Seilschaften oder ihr Parteibuch einsetzten – üblich in öffentlich-rechtlichen Anstalten. Ich besaß weder das eine noch das andere.
Zusätzlich wurden Männer behandelt, als wären sie und nicht wir das schwache Geschlecht. Ein Kollege wurde angestellt mit der Begründung, er wolle eine Familie gründen. Schön für ihn, dachte ich. Einer Frau hätte das eher geschadet.
Offenbar bekam ich die vorerst letzte freie Dienststelle, und damit sich die Quotenregelung auszahlte, wurde die Stelle geteilt. Ich bekam nur einen halben Sessel, eine Kollegin die andere Hälfte. Aus unerklärlichen Gründen war mein Gehalt allerdings nicht halb so hoch wie das der Männer, sondern deutlich niedriger.
Dennoch – der feste Posten schien das perfekte Sprungbrett für meinen Traumjob einer Auslandskorrespondentin in Washington oder Moskau zu sein. Es blieb ein Traum, denn die Chefs meinten, dafür hätte ich nicht genug Erfahrung. Jahre später hieß es hingegen, ich sei inzwischen „überqualifiziert“.
Weil es mir gefiel, aus fernen Ländern zu berichten, wurde ich stattdessen zur Krisenreporterin, wenn auch unfreiwillig. Denn eines Tages fragte mich ein Kollege, der nach Afghanistan fahren sollte, ob ich nicht einspringen könnte. Er hätte, wie könnte es anders sein, familiäre Probleme. In Kabul merkte ich, dass ich weder mutiger noch ängstlicher war als Männer, und machte meine ersten aktuellen Reportagen aus einem Brennpunkt.
Zum Glück hatte ich aber auch Vorgesetzte mit Weitblick. Sie schickten mich los, um Berichte über Frauen zu machen, um die sich männliche Reporter kaum kümmerten oder die sie in konservativen islamischen Ländern nicht realisieren konnten, weil sie an Frauen schlicht nicht herankamen.
Wenn ich zurückkehrte aus Afghanistan, Irak oder Iran, beneideten mich die Kollegen – ohne die geringste Lust zu haben, meine Arbeit auszuüben. Einen Job zu haben, den einem kaum ein Mann streitig macht, ist ein seltenes Privileg.
Antonia Rados, 59, ist Chefreporterin Ausland der RTL-Mediengruppe. Die promovierte Politologin begann beim ORF, bekannt wurde sie mit Berichten über den Irakkrieg 2003. Rados wurde vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis.