Hamas kündigt Waffenruhe an

Die palästinensische Organisation will Angriffe auf Israel einstellen. Die Bevölkerung will keine Provokationen

JERUSALEM taz ■ Die militante palästinensische Hamas will den Beschuss israelischer Ortschaften mit Kassem-Raketen vom Gaza-Streifen aus einstellen. Dies erklärte der Chef der Organisation in Gaza, Mahmud al-Sahar, am Sonntagabend auf einer überraschend einberufenen Pressekonferenz. Die Ankündigung erfolgte, obwohl die israelische Armee ihre Angriffe auf vermeintliche Stützpunkte von Hamas und anderen Organisationen fortsetzte. Kurz zuvor hatten die Hamas-nahen Issedin-al-Kassem-Brigaden gedroht, „den zionistischen Feind in seiner Tiefe“ zu treffen. „Die Hamas“, so al-Sahar, „erklärt, dass sie ihre bewaffneten Aktionen aus dem Gaza-Streifen aus Sorge um den Schutz des palästinensischen Volkes und um des nationalen Interesses Willen einstellt.“

Angesichts der für Januar geplanten palästinensischen Parlamentswahlen waren die letzten Tage für Hamas ein Fiasko. Die Organisation steht unter Druck. Die Bevölkerung im Gaza-Streifen hatte zwei Wochen lang den Abzug der Israelis gefeiert. Sie hat kein Verständnis dafür, dass Hamas, die den Abzug und die darauffolgende Ruhe zuvor noch ihrem Kampf zugeschrieben hatte, nun israelische Militärschläge provoziert. Durch ihre von Anfang an zweifelhafte Behauptung, Israel habe die Explosion eines Autos während einer Parade in Dschabalja am Freitag verursacht, bei der 15 Menschen ums Leben kamen, hat Hamas an Glaubwürdigkeit eingebüßt.

Nach dem Abzug Israels aus dem Gaza-Streifen gerät auch Präsident Mahmud Abbas unter Druck, die Organisation zu entwaffnen oder zumindest für Ruhe zu sorgen. Diesen Druck gab er an Hamas weiter. So erfolgte die Ankündigung al-Sahars kurz nachdem Abbas den in Damaskus lebenden Khaled Mashal vom politischen Flügel der Hamas vor einer bewaffneten Konfrontation mit Polizeikräften der Autonomiebehörde in Gaza warnte.

Druck kam auch von außen. Die ägyptische Regierung forderte bei einem Treffen mit Vertretern von Hamas die Rückkehr zu dem im März in Kairo vereinbarten Waffenstillstand. Großbritannien und die USA riefen zwar beide Seiten zu Zurückhaltung auf, äußerten aber Verständnis für die Reaktion Israels nach dem Rakentenbeschuss. Der Plan von Hamas, die politischen Früchte ihres bewaffneten Kampfes bei den Wahlen zu ernten, scheint gefährdet. Al-Sahars Ankündigung kann als Versuch gewertet werden, zu retten, was zu retten ist. MAURICE TSZORF

meinung und diskussion SEITE 12