: Die Farbe des Klinkers
PRODUKTION Die Ziegelei Rusch bei Stade arbeitet als eine von zweien in Deutschland noch mit einem Ringofen. Das freut besonders die Besitzer von Altbauten, denn: Kein Stein sieht so aus wie der andere
Matthias Rusch, Ziegelei-Inhaber
VON LISA FRANKENBERGER
Im Dämmerlicht arbeiten die Maschinen auf Hochtouren. In der Fabrikhalle riecht es nach Ton, es ist warm und laut. Der Lärm kommt vom „Kollergang“, einer Maschine, die aussieht wie ein großes Mahlwerk. Sie mahlt den Elbmarschen-Ton für die Klinker, die hier gemacht werden.
Die Familienziegelei Rusch in Drochtersen bei Stade stellt seit mindestens 1881 Klinker her. „Möglicherweise gibt es uns auch schon länger,“ sagt Firmenchef Matthias Rusch, „aber erst seit 1881 gibt es Aufzeichnungen, die unsere Existenz beweisen.“ Damals gab es rund 100 Ziegeleien entlang der Elbe, in denen die für den Norden typischen roten Klinker hergestellt wurden. Heute ist Ruschs Ziegelei eine der letzten beiden, die noch Ziegel im Ringofen brennen. Die andere trotzt in Ostfriesland dem Gang der Dinge. „Die modernen Ziegel sehen doch alle gleich aus“, sagt Matthias Rusch. „Unsere Steine haben Charakter.“
Ihren Charakter bekommen die Klinker durch das Brennen im Ringofen, zunächst jedoch muss der vom „Kollergang“ zermahlene Ton verdichtet und zu einem Strang gepresst werden. Ruschs Mitarbeiter schneiden daraus die Klinker-Rohlinge und bringen sie in Trockenkammern, wo sie sechs Tage lagern. Früher wurden die Ziegel auf einem Schaukel-Förderer durch lange, flache Hütten gefahren, um dort zu trocknen. Gut zwei Kilometer legten sie dabei zurück.
Die Hütten umgeben noch heute das Gelände der Ziegelei in Drochtersen, aber Ziegel werden hier schon lange nicht mehr befördert. Die Arbeitsbedingungen waren schlecht, die Hütten waren zu niedrig, um aufrecht in ihnen zu stehen. Außerdem mussten die Ziegel acht Wochen lang trocknen. So viel Zeit habe man heute nicht mehr, sagt Michael Bluhm, im Unternehmen Rusch zuständig für die Produktberatung und den Verkauf.
Ansonsten setzt Matthias Rusch aber ganz auf die alten Produktionstechniken. Wer ein klassisches Klinkerhaus haben will, kauft seine Klinker bei ihm. Tatsächlich hat ihn die Wirtschaftskrise auch nicht getroffen. „Wer entscheidet, sich ein Haus aus schönen Klinkern zu bauen, entscheidet sich für einen ohnehin recht teuren Weg“, sagt Rusch. Da seien dann viele auch bereit, mehr zu bezahlen.
Gerne vergleicht Rusch seine Branche mit der Automobilindustrie. Seine Klinker seien die Porsches auf dem Klinkermarkt, und wer einen Porsche haben wolle, der kaufe ihn sich, egal ob Krise oder nicht.
Zukunftsängste habe er keine, sagt Matthias Rusch, weder für sich noch für seine zwölf Mitarbeiter. Seine Steine würden immer gebraucht. Nur Auszubildende finden sich nicht im Klinkerwerk. „Letztes Jahr wollte ich ausbilden, aber der Azubi ist einfach nicht erschienen, trotz Vertrag. Jetzt hab ich, ehrlich gesagt, die Lust verloren.“
Rusch konzentriert sich lieber darauf, seine Klinker-Produktion zu perfektionieren. Ab 2010 wird er mit einem neuen Verfahren arbeiten, bei dem der Ton in Formen gefüllt und darin gebrannt wird. So erhalte er eine noch individuellere Maserung, sagt Rusch. Schon jetzt sind seine Klinker Unikate dank des Ringofens, in den die Rohlinge nach einem bestimmten System eingesetzt und gebrannt werden. Nach 21 Tagen im Ofen sind sie fertig. Die Ziegel, die einer stärkeren Hitze ausgesetzt waren, haben sich bläulich verfärbt, die anderen sind entweder hell- oder dunkelrot, manche sogar bunt. Rusch unterscheidet zwischen sechs unterschiedlichen Farbgebungen, die seine Mitarbeiter dann auf Paletten sortieren.
Die fertigen Klinker werden in Folie eingewickelt und auf den Hof gefahren, wo der Spediteur sie abholt. Oft werden Ruschs Klinker für Renovierungsarbeiten benötigt. Damit man an historischen Bauten keine Unterschiede erkennen kann, muss man die bunten Klinker verbauen statt der einheitlich gefärbten aus den modernen Ziegeleien. „Deshalb führe ich den Familienbetrieb auf traditionelle Art weiter“, sagt Rusch. Egal was kommt, lieber stellt er keine Ziegel mehr her, als die neuen Verfahren zu benützen.
Ob seine Kinder, die elf und zwölf Jahre alt sind, die Ziegelei einmal übernehmen, ist ihm nicht so wichtig. „Es ist mir lieber, wenn sie das tun, was sie wollen“, sagt Rusch. Er legt nun mal Wert auf Individualität, in allen Bereichen.