LESERINNENBRIEFE :
Die Masse denkt nicht so
■ betr.: „Europa wird abgewickelt“, taz vom 15. 11. 12
Dank an Eric Bonse, dass er das (kranke) Kind Europa beim Namen nennt und damit einen wohltuenden Kontrast zur üblichen Verharmlosung bildet. Bonse fürchtet, „dass wir dieses Drama erst dann überwinden werden, wenn wir uns von dieser EU und dieser Bundesregierung verabschieden und ein neues Europa jenseits der neoliberalen Eliten denken“. Hier liegt der Hase im Pfeffer: Die Masse denkt ein solches ja noch gar nicht! Hauptsache, uns (Deutschen) geht es noch einigermaßen. Die ebenso eingestellte Chefin des neoliberalen Ausverkaufs Europas, unsere werte Bundeskanzlerin, genießt hierzulande immer noch über 60 Prozent Zustimmung. Und selbst im darbenden Süden haben die Menschen überall neoliberal gewählt! Vielleicht ist das ja ganz im Sinne des „Empörten“ Javier R. Sierra: „Wir müssen alles nur Mögliche tun, damit dieses System zusammenbricht … doch je schneller, um so besser. Denn sonst laufen wir Gefahr, dass nichts mehr übrig bleibt.“ Vielleicht brauchen wir gar keine Revolution, die neoliberalen Eliten machen es selbst am schnellsten? SABINE MIEHE, Marburg
Die machen keine Schwierigkeiten
■ betr.: „Klares Votum für Rot-Grün“, taz vom 13. 11. 12
„Klares Votum für Rot-Grün“ – der beste taz-Titel seit Jahren und eine Kolumne von Julia Seeliger („So lasst uns denn ein Apfelbäumchen pflanzen“), die mir aus dem Herzen spricht. Die zukünftige Kanzlerin Merkel kann ihr Glück kaum fassen: Statt Zappelphillip und Vollhorst bekommt sie vielleicht den „angeblich linken Trittin“ (Heide Oestreich: „Basis im Machtrausch“) und die „neoliberale Betschwester Göring-Eckardt“ (Julia Seeliger) als Juniorpartner. Die machen bestimmt keine Schwierigkeiten. Liebe Grünen-Basis, ihr hättet die Urwahl verweigern oder Künast und Roth als das geringere Übel wählen. Besser aber Kandidaten benennen, die sich durch gute Sacharbeit profiliert haben. FRANK SCHNIEDER, Osnabrück
Hauptsache rein ins Parlament
■ betr.: „Wir wollen die Stimmen der Union“, taz.de vom 16. 11. 12
Bisschen mehr Absprache unter den Grünen wäre nicht schlecht: Vor Kurzem verkündete die Hamburger Grünen-Vorsitzende Katharina Fegebank noch, dass eine Zusammenarbeit mit der CDU denkbar wäre. Ist man sich nicht ganz einig in den grünen Reihen? Möglicherweise entscheidet man später willkürlich je nach Wahlergebnis. Hauptsache man kommt als Grüne „rein“ ins Parlament. Schmutzige Strategie oder geschicktes Wahlkalkül?! IMME KLEE, Hamburg
Brüning und die Sparpolitik
■ betr.: „Der Staat ist keine schwäbische Hausfrau“, taz v. 16. 11. 12
Den zutreffenden Kommentar Herrn Bergers zum „Totsparen“ würde ich gerne noch um einen offensichtlich weitgehend in Vergessenheit geratenen historischen Gesichtspunkt erweitern: Reichskanzler Heinrich Brüning übte mit seiner rigorosen Sparpolitik einen verheerenden wirtschaftlichen wie psychologischen Einfluss auf die Bevölkerung aus und trug damit die Mitschuld am Ende der Weimarer Republik; sein Spardiktat nahm den Deutschen seinerzeit jede Hoffnung auf eine bessere Zukunft und trieb einen Großteil von ihnen den nationalsozialistischen Heilsversprechern in die Arme. Brüning konnte freilich nicht die gesamte Katastrophe vorhersehen, die er mitverursachte; gerade die Bundesregierung sollte es vor dem Hintergrund dieser historischen Erfahrung jedoch besser wissen und sich gut überlegen, ob sie in Deutschland wie auch gegenüber Südeuropa weiterhin an ihrem harten Spardiktat festhalten will. BERND-MICHAEL KABIOLL, Berlin
Er bekehrt nicht, er verurteilt nicht
■ betr.: „Gelbmütze trifft Empörten. Der Dalai Lama und Stéphane Hessel haben gemeinsam ein Buch geschrieben“, taz vom 16. 11. 12
Ich würde gern zu einem friedlichen Sturm der Empörung, einer weltweiten Demonstration aufrufen. Ich wünsche mir eine Demonstration, wo Menschen mit sozialem Engagement und dem Willen, der Welt einen friedlicheren Anstrich zu verleihen (frei von religiösen Glaubenssätzen und ethnischer Herkunft), Flagge zeigen gegen Autoren wie Jörg Sundermeier. Der Dalai Lama ist und bleibt ein Symbol oben genannter Werte. Wer ihn erlebt hat, hat erkannt: Er bekehrt nicht, er verurteilt nicht, er predigt Nächstenliebe, Glück und Frieden. Wer den Dalia Lama als „alten Mann, der mit ein paar Glaubenssätzen um sich wirft und qua Alter und früherer Taten moralische Autorität beansprucht“, bezeichnet, hat die Aussagen des Friedensnobelpreisträgers nicht verstanden. Bleibt die Frage, in welcher Welt wollen wir leben. Wollen wir sie verbessern? Welchen Auftrag hat die taz. JENS HASKAMP, Ostercappeln
Selbstverliebter Schwätzer
■ betr.: „Gelbmütze trifft Empörten“, taz vom 16. 11. 12
Man kann nur sagen: Endlich! Nachdem jahrelang gerade auch die taz den Dalai Lama hochgejubelt hat (nur einmal auf der „Wahrheit“ ihn als verschwurbelt bezeichnete), charakterisiert sie ihn endlich als das, was er immer war: ein selbstverliebter Schwätzer mit Plattitüden zu Frieden, was evangelische und katholische „VIPs“ ja auch zur Genüge tun. EKKEHARD PICHON, Stuttgart