Kunstrundgang
: Brigitte Werneburg schaut sich in den Galerien von Berlin um

Kim Soo-Nam, bis 23. 10., Di.–So. 10–21 Uhr, Werkstatt der Kulturen, Wissmannstr. 32

„2 Pinselstriche“ oder „8 Pinselstriche über 1 Pinselstrich“ betitelt die in Hamburg lebende koreanische Künstlerin Hyun-Sook Song ihre Bilder, die sie im Kunstraum im Bethanien ausstellt. Man kann es nachzählen, auch wenn die „9 Pinselstriche über 39 Pinselstriche“ genaues Hinschauen verlangen. Im Abstand von einigen Metern meint man in diesem so methodisch auf die Malerei selbst reflektierenden Gemälde allerdings ein Filmstill zu sehen. Es regnet und durch den Wasserschleier hindurch ist ein aufgeständertes Vordach zu erkennen, unter dem rot ein Feuer brennt. Doch von nahem sind Dach und Feuer wirklich nur die Spur eines breiten, in mehrere Farben getränkten Pinsels. Die atemlose Anspannung, nach langer Konzentration, ohne abzusetzen, ohne Pausieren, freihändig bis zu zwei Meter lange Pinselstriche auf der monochrom grundierten Leinwand zu ziehen, scheint in den Bildern noch immer lebendig. Trotzdem strahlen sie die Ruhe reiner Malerei aus. Hyun-Sook Songs großartige Fusion einer meditativen ostasiatischen Maltechnik mit der der europäischen Moderne geschieht vor ihrem biografischen Hintergrund: der vorkonfuzianischen vorbuddhistischen Tradition bäuerlicher Frauenkultur mit eigener Sprache, Kunst und eigenen Riten, heute Schamanismus genannt.

Der Fotojournalist Kim Soo-Nam ist in die Dörfer gegangen und hat die Schamaninnen bei ihren Ritualen fotografiert. Seine Farbbilder entsprechen dem hohen Standard des National Geografic. Seine Schwarzweißfotografien aber überraschen in ihrer atmosphärischen Dichte. Wegen drei, vier dieser Bilder lohnt sich jeder Weg. Zumal der in die Werkstatt der Kulturen. Sie transportieren ohne weiteres das Hochgefühl der festlichen Gemeinde am Meer, im Wind, der die Flaggen und Fahnen flattern lässt.

Hyun-Sook Song, bis 23. 10., Di.–So. 12–19 Uhr, Kunstraum Kreuzberg Bethanien, Mariannenplatz 2