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Archiv-Artikel

neues aus neuseeland: familienurlaub in australiens kiffer-kaff von ANKE RICHTER

„Zieht euch Schuhe an, hier liegen Spritzen rum“, mahne ich meine barfüßige Brut, als wir aus dem Mietwagen steigen. Wir sind im australischen Nimbin. Ganze 320 Einwohner, aber ein Ruf, der weit über die Grenzen hallt.

Es ist unsere letzte Station im Urlaub. Auf dem langen, staubigen Weg durchs Outback haben wir platt gefahrene Kängurus gezählt und in den Pubs die Faustregel befolgt: Keinen Wein bestellen, sonst hält man dich für schwul – und das gibt Ärger. Als Erholung von Kulturschock und Country-Musik erkunden wir nun die „Regenbogen-Region“ um Byron Bay. Die größte Öko- Enklave der Südhalbkugel hat eine Dichte an Aussteigern und Erleuchteten, die alle Goa/Gomera/Gorleben übertrifft.

Mein Mann hat im Kiffer-Kaff kaum den Zündschlüssel rausgezogen, da steht ein alternder Freak mit Stirnband neben uns, holt ein Beutelchen aus dem Flanellhemd und raunt: „Zu viele Bullen dahinten – hier ist es sicherer.“ Danke, aber wir wollen eigentlich nur ins Museum gehen. Es liegt neben einer Toreinfahrt, wo mit Waagen und Tütchen an Gartentischen hantiert wird. Zwei Männer hängen eine schwarze Plastikplane als Sichtblende davor. Gestern wurden Videokameras an den Laternenpfählen installiert. Das Museum ist eine Grotte und dokumentiert bunt, witzig und wüst die Ankunft der Hippies in den Siebzigern. Es muss dem LSD-Trip eines chaotischen Kurators entsprungen sein. Die Jungs gruseln sich ein wenig.

Auf der öffentlichen Toilette sagen mir Aufkleber, wo ich im Falle einer Überdosis eine Bahre holen kann. Das Aktionsbüro „Hemp Embassy“ wirbt fürs jährliche Hasch-Festival „Mardi Gras“, mit Wettbewerb im Joint-Rollen. Von einer Bank in der Sonne haut mich eine Frau an: „Marihuana?“ Sie ist ungefähr im Alter der Oma meiner Söhne. Großmütter als Dealer – da ist wohl irgendwas schief gelaufen in der australischen Frauenpolitik oder Altenpflege. Statt auf der Straße rumzulungern, sollte sie besser zu Hause die Krampfadern hochlegen und Kekse backen. Was sie wahrscheinlich auch tut, nur darf man die dann nicht Kindern zum Essen geben.

Den Tipp und viele andere entnehme ich einer nützlichen Broschüre: Der „Anhalterführer für Nimbin“ ist für fünf Dollar in den Souvenir-Läden voller Wasserpfeifen und Esoterik-Plunder zu erstehen. Gleich fühle ich mich sicherer auf dem fremden Terrain. Auch wenn man für die Legalisierung ist, kennt man sich als Tourist mit den Feinheiten nicht aus. Avocado-Creme mit Cannabis-Öl, zum Beispiel – bisher hat’s auch Chili-Pulver getan.

Die Lektüre lohnt sich. Reisender, kommst du an diesen Ort, lass deinen Hund zu Hause: Die Einheimischen halten dich für einen Fahnder. Frag nicht nach einer Kostprobe, wenn du was kaufen willst, sonst wirst du ausgelacht. Es ist schön, wenn du stoned bist, aber pass auf, wie und wo du einnickst, denn jemand hält garantiert einen Fotoapparat auf dich. Ruf laut „Taxi“, wenn du einen Polizisten entdeckst, dann ist die ganze Stadt gewarnt. Wenn die Polizei dich fragt, warum du „Taxi“ gebrüllt hast, obwohl es hier weit und breit keines gibt, dann sagst du, dass du schleunigst hier wegwillst. Und denk daran: Nimbin hat kein Drogenproblem. Nimbin hat eine Hanf-Revolution.