DIE GESELLSCHAFTSKRITIK : Andere Länder, andere Ismen
WAS SAGT UNS DAS? Mario Mandzukic grüßt, Deutsche und Kroaten interpretieren. Was schizophren erscheint, hat seine ganz eigene Logik
So ziemlich jeder kroatische Staatsbürger behauptet von sich, ein unpolitischer Mensch zu sein. Und so ziemlich jeder durchschnittliche kroatische Staatsbürger behauptet: „Ihr nennt das Nationalismus. Wir nennen es Patriotismus“.
Auch der für den FC Bayern spielende Kroate Mario Mandzukic behauptet: „Ich habe mit Politik nichts am Hut.“ Doch seine Gesten nach seinem Tor gegen Nürnberg werden in Deutschland kontrovers diskutiert. Er habe sich nur bei seinen Fans bedanken wollen, ließ Mandzukic wissen, nachdem darüber spekuliert worden war, dass seine Gesten ein Gruß an die ein paar Stunden zuvor von schweren Kriegsverbrechen freigesprochenen kroatischen Generäle Ante Gotovina und Mladen Markac gewesen sein könnten.
Die kroatische Öffentlichkeit hatte Mandzukic da schon tausendfach als einen von „uns“, als „Helden“, wie Ante Gotovina einer ist, gefeiert. Als sie davon Wind bekamen, dass ihr neuer Held gar nichts mit Gotovina zu tun haben will, schallte es wieder tausendfach zurück: „Vaterlandsverräter“. Das wiederum veranlasste Mandzukic, auf seiner Homepage die „lieben Fans“ wissen zu lassen: „Selbstverständlich teile ich das Glück mit meinen Volksgenossen. Mein Gruß war nur der Ausdruck großer persönlicher Gefühle, die ich so wie jeder Kroate empfinde. Alles andere ist völlig egal.“ Der kurze Text ist auf der Homepage nicht in deutscher Übersetzung zu finden und soll es wohl auch nicht. Die wenigen Worte reichten jedenfalls, um die Herzen der Landsleute zurückzugewinnen.
Mandzukic ist kein fanatischer Rechter. Er weiß einfach, wie im Übrigen auch der gerade verurteilte Exministerpräsident Ivo Sanader oder der General Gotovina, dass man im Ausland Nationalismus nennt, was zu Hause Patriotismus heißt. Das wiederum bedeutet aber nicht, dass diese Leute einfach zwei Gesichter haben. Es handelt sich dabei eher um eine Schizophrenie, in der die kroatische Gesellschaft nun schon seit fast 20 Jahren lebt. Der EU-Beitritt im nächsten Jahr wird daran nichts schlagartig verändern. Aber besser ist es, Schizophrene nicht sich selbst zu überlassen. DORIS AKRAP